Anna-Tina Hess: «Oh gasch id Ferie?», fragte mich meine Nachbarin, als ich kürzlich mit gepackten Koffern das Haus verliess. «Nei, is Klasselager …», antwortete ich. Sie wünschte mir viel Spass. Ich zögerte einen Moment, bevor ich mit «Danke!» antwortete. Das Zögern kam nicht von ungefähr und wenn Sie die Kolumne von meinem Kollegen Georg Gindely bereits gelesen haben, dann wissen Sie warum. Was die Nachtruhe angeht, so ging es uns kein bisschen anders. Bei uns kam aber eine zusätzliche Herausforderung dazu: die Küche.
Die 3. Sek hatte sich nämlich entschieden, selbst zu kochen. Wir Lehrpersonen fanden das eine grossartige und pädagogisch wertvolle Idee. Zumindest so lange, bis das Küchenteam zum Kochen des ersten Menus ansetzte. Bereits nach kurzer Zeit war die Küche kaum wiederzuerkennen. Aus dem Backofen qualmte dunkler Rauch, gebrauchtes Geschirr stapelte sich und überall tropfte es von den Ablageflächen. Mittendrin vier Teenager, die mehr und mehr den Überblick verloren. Die Lehrpersonen, die dachten, sie könnten sich während dieser Zeit vornehm zurückziehen, mussten einspringen und Schadenminderung betreiben. So kam schliesslich dennoch ein vorzügliches Abendessen auf den Tisch. Den Fajitas und den Brownies sah man das Chaos in der Küche nicht an. Ganz im Gegensatz zu den Gesichtern der Lehrpersonen. Die Ringe um die Augen wurden mit jedem Tag tiefer. Auf dem Abschlussfoto hatten dann aber weder Lehrpersonen noch Schülerinnen und Schüler die Kraft, um zum Jubeln die Arme zu heben. Es reichte gerade noch für ein übermüdetes Lächeln in die Kamera.
Georg Gindely: Klassenlager ist Ausnahmezustand. Das beginnt schon bei der Hinfahrt, auf der die Schülerinnen und Schüler gerne singen (was sie sonst selten machen) und kreischen (was sie immer gerne machen). Kürzlich, auf dem Weg ins Abschlusslager, fand ich nach einigen Minuten hohem Lärmpegel im Zug, dass es angebracht sei, einzuschreiten. Eine Frau im Nebenabteil freute sich: «Endlich kommt ein Lehrer», sagte sie. «Es ist nicht auszuhalten!» Genau das geht mir seit drei Jahren durch den Kopf, dachte ich. Weitere grosse Herausforderungen im Klassenlager sind die Nächte. Hier empfiehlt es sich, ein Haus zu mieten, das etwas abgeschieden liegt. Teenager gehen vor allem ins Lager, um in der Nacht wach zu bleiben und Blödsinn anzustellen. Das bedeutet, dass man als Lehrperson auch wach bleibt, ständig durchs Haus wandelt und Drohungen ausspricht. Um dem vorzubeugen, empfiehlt sich ein Tagesprogramm mit viel Bewegung und Herausforderung. So sind am Abend alle müde. Doch je herausfordernder das Programm, desto grösser die Unfallgefahr. Am grössten ist sie in der letzten Nacht, weil dann alle todmüde sind, aber trotzdem wach bleiben. Als Lehrperson muss man dann unter Umständen gleich mit mehreren von ihnen ins Spital fahren und die Nacht statt fluchend im Lagerhaus fluchend in der Notaufnahme verbringen. Auf der Heimfahrt mag dann zum Glück meist niemand mehr singen und kreischen, da wird endlich geschlafen. An der Abschlussfeier schliesslich betonen alle, wie toll die Lager waren. Auch als Lehrperson findet man das in diesem Moment – wenn man gut im Verdrängen ist.