Das Bildungssystem der noch jungen Republik Kosovo ist durch die instabilen politischen Verhältnisse stark gefordert. Mit einem Unterrichtsprogramm zur Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen leistet die PH Zürich einen Beitrag zu einer veränderten Unterrichts- und Lernkultur. Ein Besuch in einer Schule in der Hauptstadt Pristina.
Die staatlichen Bildungssysteme der Region Westbalkan, zu denen auch die Republik Kosovo gehört, sind bis heute geprägt von instabilen politischen, ökonomischen und nicht gelösten interethnischen Verhältnissen. Die schwache ökonomische Situation der noch jungen Staaten, gepaart mit einer hohen Arbeitslosigkeit führt dazu, dass von staatlicher Seite nur wenige Ressourcen in das Bildungssystem fliessen.
Ziel des von der PH Zürich entwickelten und durch den Gemeinnützigen Fonds Kanton Zürich unterstützten Unterrichtsprogramms «Peace through Cooperation, Competences and Knowledge» (Peacock) ist die Förderung des friedlichen Zusammenlebens verschiedener ethnischer Gruppen in Schule und Bildung. Die im Projekt involvierten Schülerinnen und Schüler aus der Unter-, Mittel- und Oberstufe erfahren durch das Unterrichtsmaterial eine Förderung ihrer überfachlichen Kompetenzen. Dazu gehören Selbstwahrnehmung, der Umgang mit eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Kompetenzen zur Zusammenarbeit und zur Problemoder Konfliktlösung – sogenannte «Life Skills». Das Projekt Peacock startete 2019 und wurde seither an fünf Pilotschulen in Städten wie auf dem Land implementiert. Für die Implementierung arbeitet die PH Zürich mit dem «Kosova Education Centre» (KEC), einer im Bildungsbereich aktiven Non-Profit-Organisation zusammen. Weitere Projektpartner sind das Bildungsministerium und die Pädagogische Fakultät der Universität.
Wirkungskreis geht über das Schulzimmer hinaus
Eine der Pilotschulen ist die Meto Bajraktari-Schule im Zentrum von Pristina. Die rund 1500 Kinder werden von 75 Lehrpersonen, zu 90 Prozent Frauen, unterrichtet. Die Einführung von Peacock fiel zusammen mit der Pandemie. Dies hatte zur Folge, dass die Trainings der Lehrpersonen nur online stattfinden konnten. «Das Kick-off-Meeting mit fast 100 Personen war eine grosse Herausforderung», so Schulleiterin Zana Zeqiri. Mit der Teilnahme an Peacock ging man an der Schule neue Wege, erzählt die verantwortliche Programmleiterin des Kosova Education Centre, Hana Zylfiu-Haziri: «Erstmals wurden Lehrpersonen der Schule als Trainerinnen ausgebildet. Zuvor hatten die Schulungen externe Bildungsfachleute durchgeführt.» Valdete Gjakova und Kreshnike Kabashi, beide erfahrene Lehrpersonen an der Schule, stellten sich für dieses Engagement zur Verfügung.
In der Biologiestunde der 5. Klasse von Ariana Vejsa sitzen beim Besuch von «Akzente» Schülerinnen und Schüler im Kreis vor der Wandtafel und besprechen Landschaftsbilder. «Was lösen diese Bilder bei euch aus?», fragt die Lehrerin. Ein Schüler reagiert auf eine Fotografie einer mit Abfall übersäten Landschaft: «Es macht mich wütend.» Die Lehrerin fragt «Was macht ihr mit negativen Gefühlen, etwa wenn ihr Stress habt?» Die Hände schnellen hoch, offensichtlich sprechen die Kinder gerne darüber: «Wenn ich Stress habe, bin ich am liebsten alleine», sagt eine Schülerin. «Und ich fahre Fahrrad», ergänzt ihr Nachbar. Der Unterricht ist dicht und variiert zwischen Vermittlung von Stoff und dessen Vertiefung und Reflexion.
Lehrpersonen sehen Erfolge
Zimmerwechsel: Lehrerin Hanushe Ahmeti verteilt in der Mathematiklektion ihrer 7. Klasse Arbeitsblätter mit einer Umfrage. Wie schätzen die Jugendlichen ihre eigene Mathematikkompetenz und die der Klasse ein? Die Lehrerin fordert die Schülerinnen und Schüler auf, in der Gruppe darüber zu diskutieren und entsprechend die Balkendiagramme mit einer Skala von eins bis zehn einzufärben. Nahezu alle Kompetenzen werden als hoch eingeschätzt. «Zum Glück habt ihr nach oben noch etwas Luft», scherzt die Lehrerin.
Auch im nächsten Raum wird intensiv mit Peacock gearbeitet: In der Albanisch-Lektion der 5. Klasse baut Lehrerin Arieta Xhemaili zu Beginn eine Aktivität zu zweit ein. So kommt die Klasse ins Gespräch. Danach geht es um Grammatik. Als Beispiele dienen Verben aus der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler, Lieblingsaktivitäten und Hobbys. Die Klasse ist bis zum Schluss der Stunde konzentriert bei der Sache. Auch Arieta Xhemaili greift gerne auf das Peacock-Unterrichtsmaterial zurück und sieht darin einen deutlichen Nutzen: «Die Kinder lernen nachzudenken.»
Obwohl das Projekt durch die Pandemie stark tangiert wurde, ist seine Implementierung erfolgreich verlaufen. Die Lehrpersonen wenden die Aktivitäten bereits versiert an und sehen den Erfolg. So Teacher-Trainerin Kreshnike Kabashi: «Das Programm bringt uns neue Werte und Haltungen, nicht nur Wissen.» Für Projektleiterin Hana Zylfiu-Haziri vom Kosova Education Centre ist es besonders schön zu sehen,
dass das Projekt an den verschiedenen Schulen nun weitere Früchte trägt.