Anna-Tina Hess: Klavier spielen. Singen. Regelmässig Yoga. Permakultur. Surfen. Akrobatikkurs. Das steht in meinen elektronischen Notizen unter dem Titel «Leben nach der PH». Ich liebe To-do-Listen. Ich habe immer so eine Liste erstellt für die Zeiten nach Ausbildungen. Denn man vergisst allzu schnell, was man eigentlich alles machen wollte, wenn man dann wieder genug Zeit hat.
Die Listen haben sich bewährt und ich halte mich tatsächlich auch daran. Ich war fünf Wochen surfen, ich mache jeden Tag mindestens eine halbe Stunde Yoga, neben meinem Bett liegen zwei Bücher über Permakultur und in zwei Wochen mache ich einen Schnupperkurs in Akrobatik im Zirkus Knopf. Das Einzige auf der Liste mit Luft nach oben ist das Klavierspielen und Singen. Aber auch das werde ich noch anpacken. Mehr Zeit zu haben, ist unglaublich schön. Es beeinflusst nicht nur meine Freizeitgestaltung, sondern auch die Schule und meine Rolle als Lehrerin. Mein Kopf ist viel freier und ich sprudle wieder vor Ideen. Zeit zu haben für eine gute Vorbereitung ändert vieles. Keine pragmatischen Entscheide mehr in letzter Minute, keine Notfall-Dossiers, kein «Sorry-ich-hab-eure-Arbeiten-noch-nicht korrigiert»-Entschuldigungen, kein schlechtes Gewissen. Immer wieder erinnert mich ein Dokument auf meinem Desktop an diese Zeit. Es trägt den Titel «ToDo» und beinhaltet eine Liste, in der ich alle Aufträge nach Datum sortiert schrieb, die ich noch erledigen musste. Warum ich sie noch habe, weiss ich nicht. Aber vielleicht, damit sie mich daran erinnert, dass alles abgehakt ist und ich mich wieder meiner «Leben nach der PH»-Liste zuwenden kann.
Georg Gindely: Die To-do-Liste, die mich am meisten beschäftigt, habe ich vor drei Jahren erstellt. Darin festgehalten hatte ich, was ich mit meiner ersten eigenen Klasse alles machen wollte. Die Zeit, die vor uns lag, schien endlos. Nun sind es nur wenige Wochen bis zum Abschluss, und mit meinen Schülerinnen und Schülern nicht gemacht habe ich: Eine Klassenzeitung (eigentlich unentschuldbar für mich als Ex-Printjournalisten); ein Theaterstück einstudieren und aufführen; einen Zeitstrahl durchs Schulhaus aufhängen mit allem drauf, was wir in Geschichte behandelt haben; sehr viele Grammatikthemen im Fach Deutsch; ein ganzes Buch auf Englisch lesen; die SuS einen Trailer zu einem Buch filmen lassen; einen Klassengarten anlegen; ins Landesmuseum gehen und vieles mehr. Wenn ich die Liste anschaue, habe ich ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Aber vielleicht sollte ich, statt verpassten Chancen nachzutrauern, besser eine Have-done-Liste machen. Denn meine Klasse und ich haben wahnsinnig viel zusammen erlebt. Die Bedingungen waren nicht gerade einfach: Wir mussten mit einer Pandemie leben lernen und zum Schluss noch mit einem Krieg in Europa. Dennoch gab es schöne Projekte, unvergessliche Klassenlager, einige wirklich sehr gute Lektionen und zugegebenermassen auch einige komplett missglückte. Die grösste Leistung ist aber wohl, dass wir drei Jahre lang den Alltag zusammen gemeistert haben. Und dass wir uns jetzt mit einem guten Gefühl (und auch ziemlich viel Wehmut) alles Gute wünschen und auf Wiedersehen sagen können. Die To-do-Liste erledige ich dann ab August mit der neuen Klasse.