Geteilte Verantwortung bei der Leistungsbeurteilung

Sekundarlehrer Kaspar Vogel zieht seine Schülerinnen und Schüler in die Zeugnisgespräche mit ein. Foto: Werner Burger

Die schulische Beurteilung soll das Lernen unterstützen. Wie können sich Lehrpersonen auf die Stärken von Kindern und Jugendlichen statt auf Defizite ausrichten? Kaspar Vogel von der Sekundarschule Feld in Winterthur erzählt, warum er auf Selbstbeurteilung setzt und was Empathie mit Beurteilen zu tun hat.

Kaspar Vogel von der Sekundarschule Feld in Winterthur sieht in der Beurteilung ausserhalb von Noten eine grosse Chance für das Lernen. Der Sek-B-Lehrer ist überzeugt: Der Dialog und die Reflexion im Rahmen von Beurteilungssituationen fördern die Motivation der Schülerinnen und Schüler und damit den Lernerfolg. Mit seiner Klasse führt er Zeugnisgespräche, in denen er die Einschätzung der Jugendlichen mit seiner eigenen mündlich abgleicht. Er macht die Erfahrung, dass es mehr Akzeptanz bringt, wenn man Lernfortschritte gemeinsam bespricht.

Der leidenschaftliche Lehrer hat den Anspruch, dass die Schülerinnen und Schüler nachvollziehen können, warum er etwas so einschätzt. Er spricht von beidseitiger Flexibilität. «Ich muss dazu bereit sein, mich überzeugen zu lassen. Es ist ein bisschen wie ein Aushandeln», sagt Kaspar Vogel. «Wir Lehrpersonen müssen uns bewusst sein, dass die Subjektivität da ist und wir letztlich eine Mischrechnung machen, aber auch einen Handlungsspielraum haben.»

Kaspar Vogel reflektiert nach den Ferien mit seinen Schülerinnen und Schülern die erreichten Lernziele. Die Jugendlichen formulieren selbst qualitative Massnahmen zu ihrem Lernziel und ihrer Zielnote. Das Feedback, wie er oder sie unterwegs ist, erteilt der Lehrer dann via Ampelsystem. Der Vergleich mit dem Lernziel aktiviert die Selbstverantwortung, ist Vogel überzeugt. «Manche Jugendliche muss ich bewusst bremsen, damit sie nicht zu viel machen», sagt er.

Bei der Zeugnisbeurteilung arbeitet er mit einer Gesamtpunktzahl. «Wenn die Schülerinnen und Schüler das Gefühl haben, sie wären oft zu schlecht beurteilt, frage ich sie, wo sie zu gut beurteilt sind.» So entsteht eine abgeglichene Gesamteinschätzung, für die wir beide Verantwortung übernehmen.

Die Beurteilung muss individuell erfolgen, das geht nicht absolut durchstrukturiert, sagt der Lehrer. Und ergänzt: «Beurteilen braucht Empathie. Ich muss spüren, wann es ein Gespräch braucht.» Seine Schülerinnen und Schüler haben wöchentlich sieben selbständige Lernstunden als individuelle Lernzeit mit vorgegebenen Aufgaben. Diese Zeit sei wie eine Schalterstunde, in der er als Lehrer für Fragen zur Verfügung steht. «Es bringt ganz viel, wenn ich auf die Jugendlichen eingehe.» Kaspar Vogel beurteilt die Lernentwicklung, indem er mündliche und argumentative Anlässe zusammennimmt. «Ich sage ziemlich klar, wo Grenzen sind, aber sie haben ziemlich viel Spielraum.»

Noten zeigen nicht einen gemeinsam erarbeiteten Lernfortschritt, obwohl dies wichtige Aspekte kompetenzorientierter Beurteilung sind, ist er überzeugt. «Mein Ansatz braucht eine wahnsinnige Präsenz. Aber dafür gebe ich seit 28 Jahren gerne Schule.» Denn letztlich sei es für ihn das Wichtigste, dass Kinder Erfolg haben.

Kompetenzorientiert beurteilen

Die Publikation bietet einen Ãœberblick, wie man kompetenzorientierte Beurteilung gestalten kann. Es werden neue Konzepte und Vorgehensweisen vorgestellt.

«Kompetenzorientiert beurteilen»: Hanni Lötscher, Marcel Naas, Markus Roos. hep-verlag.ch/kompetentorientiert-beurteilen

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