Christine Eckhardt, warum legt der Lehrplan Wert darauf, nicht nur mit Noten zu beurteilen?
Ein Grund ist, dass Noten das Weiterlernen nicht anregen. Sie sagen aus, wie gut man etwas kann oder auch nicht, sie sorgen häufig für Druck und Frustration, aber sie bieten keinen Ansatzpunkt zum Weiterlernen. Feedbacks dagegen unterstützen das Weiterlernen, helfen den Schülerinnen und Schülern zu erkennen, wie und wo sie bei ihren Lernzielen stehen. Diese Beurteilungspraxis entspricht dem Gedanken einer formativen Beurteilung.
Was heisst Kompetenzorientierung in Zusammenhang mit formativer Beurteilung?
An Kompetenzen zu orientieren heisst, auf die Stärken der Kinder und Jugendlichen zu fokussieren anstatt auf Defizite. Dafür muss ich als Lehrperson ansprechende Lernsituationen schaffen, in denen die Kinder gefordert werden, ihre Fähigkeiten zu zeigen und Wissen im Kontext anzuwenden. Die Begleitung solcher Lernprozesse braucht u.a. Dialog, der den Blick auf die Lernziele richtet.
Was macht formative Beurteilung so anspruchsvoll?
Beurteilen soll dem Lernen dienen. Dafür braucht es Situationen, die den Lernstand des Kindes sichtbar machen. Prüfungen, bei denen jeder zur selben Zeit dasselbe Wissen wiedergeben muss, werden dem nur bedingt gerecht. Beurteilung etwa in Form von Beobachtungen und Lerngesprächen läuft aber entweder parallel zum Unterrichten oder in der unterrichtsfreien Zeit. Trotz dieser Herausforderung bin ich vom Potenzial der formativen Beurteilung überzeugt, weil die Schülerinnen und Schüler durch diese Fremdbeurteilung der Lehrperson nicht demotiviert, sondern im Lernen motiviert und unterstützt werden.