Turnstunden sollen dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler sich bewegen. Mindestens eine Stunde täglich sollten es gemäss Bildungsdirektion des Kantons Zürich sein. Doch gemäss verschiedener Studien vergeht meist etwa die Hälfte des Unterrichts mit Umziehen, Erklärungen sowie Aufstellen und Verräumen der Geräte. Während der Übungsanleitungen treten zudem nicht selten disziplinarische Schwierigkeiten auf oder die Ausführungen werden nicht genau verstanden, wie Jörn Klages in seiner Masterarbeit ausführt. Darin ist er der Frage nachgegangen, wie die Bewegungszeit im Sportunterricht erhöht
werden kann.
Dabei ist der Quest-Student der Sekundarstufe auf das noch relativ neue Konzept des Flipped Classroom gestossen. Die Kernidee dieses Ansatzes ist die Auslagerung der Theorie, sodass die gesamte Unterrichtszeit für das Üben zur Verfügung steht. Schülerinnen und Schüler eignen sich die Inhalte selbstständig an und kommen idealerweise alle mit dem gleichen Wissenstand in den Unterricht. Gut erprobt ist der Flipped Classroom bereits in Fächern wie Mathematik und Chemie, häufiger kommt er auf Hochschul-Niveau zur Anwendung.
Mit seiner ersten Sekundarklasse A probierte Klages aus, ob das Konzept auch für den Sportunterricht Potenzial hat. Die Jugendlichen schauten sich vorgängig kurze Videos an und lasen Erklärungen zu den Disziplinen Reckturnen und Basketball. In der Doppelstunde ging es dann gleich zur Sache. Im Anschluss führte der angehende Sekundarlehrer eine Online-Befragung durch. Bei den Übungen am Reck waren fast zwei Drittel der Klasse der Meinung, dass das direkte Vorzeigen in der Halle nützlicher sei. Sie vermissten die Möglichkeit zu direkten Rückfragen oder empfanden die Zeit zwischen Theorie und praktischer Durchführung als zu lang. Diejenigen, die sich positiv äusserten, erwähnten die erhöhte Bewegungszeit. Zudem konnten sie sich bei den Anleitungen besser konzentrieren und schätzten es, dass sie das Video zwischendurch anhalten konnten. Bei den Basketball-Übungen, welche knapp zwei Monate später stattfanden, erkannte gut die Hälfte der Klasse Vorteile in der neuen Methode.
Die Beobachtungen des Autors fielen vorwiegend positiv aus. Wie erwartet, war die Bewegungszeit fünf bis zehn Minuten höher und die Motivation grösser. Der Lehrer hatte mehr Zeit, sich um leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler zu kümmern. Er ist zum Schluss gekommen, dass sich das Flipped-Classroom-Konzept im Fach Bewegung und Sport für bestimmte Inhalte gut eignet. Der mittlerweile fertig ausgebildete Sekundarlehrer unterrichtet immer noch an der gleichen Schule und hat das Konzept unterdessen auch beim Unihockey sowie in der Mathematik angewandt. Im Sport greift er jedoch häufiger auf das In-Class-Flip-Modell zurück, bei dem die Videos direkt im Unterricht geschaut werden. So gehe das Gelernte bis zur Anwendung weniger vergessen, erklärt der 35-Jährige: «Als Sportfanatiker suche ich stets nach Ansätzen, um die Bewegungszeit im Unterricht zu erhöhen.»