Schlaflosigkeit, Herzklopfen, Nervosität vor einer Prüfung und dann ein totales Blackout, obwohl man den Stoff eigentlich beherrscht. Derartige Zustände kennt Jil Held aus eigener Erfahrung. Als angehende Primarlehrerin möchte sie Prüfungsangst bei ihren Kindern erkennen können und Betroffene unterstützen. Deshalb hat sie ihre Bachelorarbeit diesem Thema gewidmet. Ängste gehören zu einer normalen Entwicklung. In der Regel sind sie mild, altersspezifisch und vorübergehend, hält die Autorin im Theorieteil fest. Während bei Kleinkindern Angst vor Trennung, Dunkelheit und Monstern im Vordergrund steht, bezieht sich die Angst im Primarschulalter vermehrt auf die Schule.
Gemäss Literatur sind rund 20 Prozent der Schulkinder betroffen. In der Umfrage, die Held selber in ihrer Praktikumsklasse gemacht hat, gaben 13 von 17 Drittklässlern an, manchmal Angst vor Prüfungen zu haben. Lehrpersonen sollten ihre Schülerinnen und Schüler deshalb gut beobachten. Bei einem Verdacht auf Prüfungsangst sollte das Thema anhand spezifischer Fragen im Gespräch zwischen Kind, Lehrperson und Eltern aufgegriffen werden. Denn oft ergibt sich eine Art Teufelskreis: Starke Prüfungsangst reduziert die Leistungsfähigkeit, worauf das negative Ergebnis die Zuversicht für die nächste Prüfung vermindert. Derweil sei eine angemessene Anspannung während Prüfungen durchaus erstrebenswert, kommt die 24-Jährige zum Schluss. Als Ansatzpunkte nennt die Arbeit einerseits das Klassenklima: Ein autoritärer Unterrichtsstil fördert Prüfungsangst. Mildernd wirken sich dagegen ein geringer Leistungsdruck aus, eine Beurteilung anhand der individuellen Entwicklung sowie ein konstruktiver Umgang mit Fehlern. Zusätzlich können sich betroffene Kinder Bewältigungsstrategien aneignen. Zum Beispiel sollten negative Gedanken bewusst durch positive ersetzt werden. Gemäss den bekannten Lernpsychologen Rietzler und Grolimund hilft es auch, im Vorfeld alle Sorgen und Ängste auf ein Blatt zu schreiben oder bei einem Blackout eine Atemübung einzuschalten. In einer vierteiligen Unterrichtssequenz hat Held das Thema Prüfungsangst mit einer dritten Klasse bearbeitet. Als Erstes hat sie mit den Kindern mithilfe des Lehrmittels «Aron, Nora und die Filo-Sophie» generell über das Thema «Angst und Mut» diskutiert. Danach gingen die Kinder konkret der Frage nach, wie sich Prüfungsangst anfühlt, was ihnen genau Angst macht und wie man damit umgehen könnte. Als Letztes führte sie mit der Klasse vor einer Mathematikprüfung eine Entspannungsübung durch, was die meisten Schülerinnen und Schüler als hilfreich empfanden.
Durch das Schreiben der Arbeit habe sie viel gelernt, sagt Jil Held, die zurzeit als Vikarin arbeitet und im nächsten Schuljahr eine Klasse übernehmen möchte. Für diese Zeit nimmt sie sich vor, Prüfungen früh genug anzusagen und Lernziele transparent zu machen. «Meine künftigen Schülerinnen und Schüler sollen in einer lernfreundlichen Atmosphäre ohne Druck lernen können. Dazu gehört auch, dass Ängste angesprochen werden.»