Transnationales Code-Switching

460 albanisch sprechende Kinder besuchen im Kanton Zürich den Unterricht in heimatlicher Sprache und Kultur. Ihre Eltern sind aus dem Kosovo, aus Nordmazedonien, aus dem südlichen Teil Serbiens oder aus Albanien in die Schweiz migriert, die meisten aufgrund schwieriger Verhältnisse in ihrer Heimat.

Fotos: Niklaus Spörri

Im Pavillon-Schulzimmer auf dem Areal des Stadtzürcher Schulhauses Kornhaus sitzen nur sechs Kinder im Unterricht: Vier Mädchen und zwei Knaben besuchen an diesem Montagnachmittag den freiwilligen HSK-Unterricht in Albanisch. Die wöchentliche Doppellektion in heimatlicher Sprache und Kultur findet im Schulkreis Limmattal im regulären Schulhaus und vorwiegend während der Unterrichtszeit statt. HSK-Lehrer Nexhat Maloku schätzt diese Anbindung sehr, so seien die Kinder und Jugendlichen verlässlicher präsent und es sei klar, dass der HSK-Kurs Teil des wöchentlichen Stundenplans sei.

Kemal, Erdiz, Nejla, Shpresa und die Schwestern Melisa und Edisa besuchen die fünfte und sechste Klasse im Schulhaus Kornhaus und sind seit ihrer Einschulung im HSK-Unterricht bei Nexhat Maloku. Die Mittelstufenkinder beteiligen sich sehr aktiv am Unterricht in albanischer Sprache, obwohl draussen auf dem Pausenplatz die Schulkolleginnen und ‑kollegen aus ihrer Stammklasse langsam das Schulhausareal verlassen. Wie in den meisten HSK-Klassen, die im Kanton Zürich in 27 Sprachen angeboten werden, besuchen deutlich mehr Mädchen als Knaben den Albanisch-Unterricht.

Lange Fahrten nach Mazedonien oder in den Kosovo
Aktuell thematisiert Nexhat Maloku «Banimi» – das Thema Wohnen – und fragt die Schülerinnen und Schüler: «Wie heissen die einzelnen Räume einer Wohnung und was macht man dort?» Die Mädchen berichten, wie ihr Zimmer aussieht und ob sie es mit ihren Geschwistern teilen, die Knaben schwärmen von ihren Spielkonsolen im Wohnzimmer. Nexhat Maloku lässt die Kinder erzählen und hilft, wo der konkrete Wortschatz fehlt. Anschliessend fragt er die Klasse, was es bedeute, eine Wohnung zu «mieten» oder zu «besitzen»? Die Kinder schauen sich fragend an und sind sich nicht sicher, was damit wohl gemeint ist. Sie wohnen mit ihren Familien alle in unmittelbarer Nähe des Schulhauses im Kreis 5.

Nejla berichtet vom Haus ihrer Eltern in Mazedonien, wo ihr Vater aufgewachsen sei, dieses gehöre ihnen. Dorthin würden sie jedes Jahr mit dem Auto in die Ferien fahren – sie mit ihren Eltern und den drei Schwestern. Ihre Mutter komme ursprünglich aus dem Kosovo, wohin sie natürlich auch immer wieder fahren, um ihre Verwandten zu besuchen. Auch die anderen Kinder berichten von ihren Ferien und den langen Autofahrten, bis sie jeweils endlich bei ihren Grosseltern, Tanten und Cousins sind – in der Heimat ihrer Eltern. Manchmal fahren sie einen ganzen Tag und eine ganze Nacht, bis sie in Nordmazedonien seien, sagen Edisa und Melisa.

Elternverein organisiert HSK-Kurse
Die HSK-Kurse für die albanisch-sprachigen Secondas und Secondos werden seit den 1990er-Jahren angeboten, sie sind vom Albanischen Lehrer- und Elternverein organisiert. Nexhat Maloku ist im Kanton Zürich der Koordinator der HSK-Kurse und Autor des Lehrmittels. Das Unterrichtsmaterial ist gemeinsam mit dem Bildungsministerium Kosova und der PH Zürich konzipiert worden, es wird den Kindern kostenlos zur Verfügung gestellt.

In diesem Schuljahr besuchen rund 460 Schülerinnen und Schüler den Albanisch-Unterricht im Kanton Zürich. Ihre Familien kommen zu einem grossen Teil aus dem Kosovo. Nur sehr wenig albanisch-sprechende Migrantinnen und Migranten in der Schweiz sind aus Albanien, betont Nexhat Maloku. Er unterrichtet seit 28 Jahren heimatliche Sprache und Kultur in der Schweiz. Bereits im Kosovo war er als Lehrer tätig, aufgrund seines politischen Engagements war er aber 1991 gezwungen, in die Schweiz zu migrieren.

Der HSK-Unterricht wird in der albanischen Hochsprache gehalten, diese wurde allerdings erst vor rund 50 Jahren vereinheitlicht, berichtet Nexhat Maloku. Die albanische Sprache gehört zur indogermanischen Sprachfamilie. Sie ist heute Amtssprache in Albanien, im Kosovo und in Nordmazedonien sowie Minderheitensprache in anderen Ländern Südosteuropas, etwa auch in Griechenland. Grundsätzlich habe das Albanische zwei grosse Dialektgruppen, im Norden das «Gegische» und im Süden das «Toskische», die sich in sehr unterschiedliche Unterdialekte gliedern lassen. Im HSK-Unterricht könne man sich aber problemlos verständigen, so Maloku. Dies obwohl die Familien der Schülerinnen und Schüler häufig aus verschiedenen Ländern kommen. Untereinander verständigen sich die Kinder – wie die meisten Secondas und Secondos – aber auf Schweizerdeutsch mit gelegentlichem transnationalem Code-Switching. So wird der Zürcher Dialekt dank linguistisch kreativen Einschüben mit typischen albanischen Ausdrücken gespickt, ergänzt Nexhat Maloku mit einem Schmunzeln.

PH Zürich unterstützt HSK-Unterricht
Kinder und Jugendliche nicht deutscher Erstsprache können in Zürich ab dem Kindergarten den ergänzenden Unterricht in Heimatlicher Sprache und Kultur (HSK) besuchen. Der HSK-Unterricht fördert die Erstsprache sowie die Chancengerechtigkeit und vermittelt Hintergrundwissen über die Sprachregion und das Herkunftsland. Die PH Zürich unterstützt die HSK-Lehrpersonen mit Weiterbildungen und eigens entwickelten, sprachspezifischen Lehrmitteln. Diese sind in sieben Sprachen übersetzt und online verfügbar: tiny.phzh.ch/jcpoosdn