Durch Feedback aus der Klasse den Unterricht verbessern

Feedback durch Schülerinnen und Schüler kann dazu beitragen, ihre Lernleistungen und die Unterrichtsqualität zu verbessern. Forschende der PH Zürich untersuchten, wie Feedback die Reflexion von Unterricht unterstützen kann, und entwickelten eine Online-Plattform mit Informationen.

Werden Rückmeldungen von Schülerinnen und Schülern sinnvoll eingesetzt, kann dies zur Verbesserung der Unterrichtsqualität und der Lernleistungen beitragen. Foto: Nelly Rodriguez

Während angehende Lehrpersonen in der Ausbildung darin geschult werden, ihren Schülerinnen und Schülern Rückmeldungen zu geben, wird Schülerinnen- und Schülerfeedback in der Ausbildung und auch in der Unterrichtspraxis bisher kaum strukturiert eingesetzt. Dabei sind die Einschätzungen der Schülerinnen und Schüler für Lehrpersonen sehr wertvoll, wenn es um die Reflexion und Bewertung des Unterrichts, der Unterrichtsqualität und der eigenen professionellen Kompetenzen geht. Sie helfen, die Lernvoraussetzungen und ‑fortschritte der Lernenden zu beurteilen und den Unterricht entsprechend weiterzuentwickeln. Schliesslich sind die Schülerinnen und Schüler am besten in der Lage, die Wirkung von Unterricht und Handeln der Lehrperson auf ihr Lernen zu beurteilen. Durch die Möglichkeit, ihre persönliche Sicht auf den Unterricht, ihre Unterrichtserfahrungen und ‑einschätzungen mitzuteilen und mit der Lehrperson zu diskutieren, übernehmen die Schülerinnen und Schüler Verantwortung für die Gestaltung ihres Lernens und der Lernumgebung und partizipieren bei der Weiterentwicklung von Schule und Unterricht. Wenn Schülerinnen- und Schülerfeedback sinnvoll eingesetzt wird, kann es dazu beitragen, die Unterrichtsqualität und die Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler zu verbessern.

Erfahrungen mit Feedback
Um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, inwiefern die Reflexion von Unterricht durch das systematische Einholen von Feedback unterstützt und gefördert werden kann, forschte ein Team der PH Zürich in Kooperation mit der Universität Duisburg-Essen im Projekt «Schülerrückmeldungen zur Förderung der Unterrichtsreflexion». Unter der Leitung von Corinne Wyss wurden Studierende der PH Zürich im Rahmen der berufspraktischen Ausbildung angeleitet, Rückmeldungen von Schülerinnen und Schülern sowie von anderen im Unterricht anwesenden Studierenden einzuholen und für die Reflexion des eigenen Unterrichts zu nutzen. Von besonderem Interesse waren die Fragen, welche Erfahrungen die angehenden Lehrpersonen mit den Rückmeldungen machten, wie die Schülerinnen und Schüler die Partizipation erlebten sowie der Vergleich von Fremd- und Selbsteinschätzung. Rund 235 Studierende der Sekundarstufe I der PH Zürich nahmen im Frühlingssemester 2017 und 2018 am Projekt teil. Die Studierenden erhielten eine Einführung in die Arbeit mit Schülerinnen- und Schülerfeedback und befragten in der Folge zu zwei Zeitpunkten die Schülerinnen und Schüler zu ihrem Unterricht. Im Anschluss reflektierten sie das Feedback selbst oder mit anderen
Studierenden.

Signifikante Unterschiede in der Einschätzung
Der Einsatz von Schülerinnen- und Schülerrückmeldungen wurde sowohl von den Studierenden als auch von den Schülerinnen und Schülern als wertvoll erachtet. Bei der Bewertung des Unterrichts zeigen sich jedoch bedeutende Unterschiede: Die Studierenden bewerteten ihren eigenen Unterricht überwiegend positiv. Dabei nannten sie in erster Linie Aspekte, die von aussen leicht beobachtbar sind, eine Orientierung am tatsächlichen Lernen der Schülerinnen und Schüler fand kaum statt. Die Studierenden waren der Ansicht, dass die Mehrheit der Lernenden mit dem Unterricht zufrieden war. Letztere bewerteten den Unterricht jedoch weniger positiv als die Studentinnen und Studenten, schätzten aber die Möglichkeit, der Lehrperson ihre Meinung zum Unterricht mitteilen und bei der Unterrichtsgestaltung mitwirken zu können. Am positivsten bewerteten die anderen Studierenden die Unterrichtsstunden. Sie hielten sich mit kritischen Rückmeldungen, wohl aus kollegialer Rücksicht, eher zurück.

Das Geben und Annehmen von Rückmeldungen ist eine komplexe Angelegenheit, die gewisse Kompetenzen erfordert: Einerseits müssen Ziele, Inhalte und Kriterien von Feedback bekannt sein, andererseits werden gewisse Fähigkeiten des Sprechens, Formulierens und Zuhörens vorausgesetzt. Generell fehlt es den Schülerinnen und Schülern an Übung und Erfahrung im Feedbackgeben und auch die Studierenden verfügen über wenig bis keine praktische Erfahrung in Bezug auf Rückmeldungen von Lernenden. Die Ergebnisse der Studie zeigen bei der Wahrnehmung von Rückmeldungen durch Schülerinnen und Schüler auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern, vor allem aber zwischen den Schulniveaus. Wie können Schülerinnen und Schüler aller Niveaustufen sich gleichermassen an der Gestaltung von Unterricht beteiligen? «Damit dies gelingt, ist eine Unterrichtskultur notwendig, welche Schülerrückmeldungen als zentralen und wertvollen Bestandteil von Schule und Unterricht anerkennt», erläutert Corinne Wyss. «In der alltäglichen
Unterrichtspraxis ist das Einholen von Rückmeldungen jedoch kaum verbreitet. Die Schülerinnen und Schüler werden selten ermutigt, über Unterricht nachzudenken und diesen gemeinsam mit der Lehrperson weiterzuentwickeln.»

Um eine Kultur des gegenseitigen Feedbackgebens und -nehmens in den Unterrichtsalltag zu integrieren, müssen Rückmeldungen angeleitet und regelmässig geübt werden. Im Rahmen des Projektes wurde ein Online-Lernobjekt «Schülerrückmeldungen im Unterricht» entwickelt mit ausführlichen Informationen zu den Fragen, welches Potenzial die Arbeit mit Schülerinnen- und Schülerfeedback hat, wie Lehrpersonen dies in die Unterrichtspraxis einbauen können und welche Feedbackinstrumente zur Verfügung stehen: tiny.phzh.ch/Lernobjekt_Schuelerfeedback

Feedback zum Unterricht

  • benötigt Vertrauen,
  • ist ein Dialog zwischen Lernenden und Lehrenden,
  • orientiert sich an klaren Zielsetzungen und Kriterien,
  • ist konkret formuliert,
  • bezieht sich auf veränderbare Verhaltensweisen,
  • sollte im Anschluss mit der Klasse besprochen werden,
  • führt immer zu Konsequenzen.

Das Projekt «Schülerrückmeldungen zur Förderung der Unterrichtsreflexion» (2016–2021) wurde durch die Stiftung Mercator Schweiz sowie die PH Zürich finanziert.