Frauenstimmrecht – auf halbem Weg zur Gleichstellung

Andrea De Vincenti – Seitenblick

50 Jahre ist es her, seit den Schweizer Staatsbürgerinnen am 7. Februar 1971 von zwei Dritteln der männlichen Stimmbevölkerung das Wahl- und Stimmrecht zuerkannt wurde.

Der Kampf der Frauen um Teilhabe an demokratischen Rechten ist allerdings viel älter. Schon zur Zeit der Französischen Revolution wies Olympe de Gouges darauf hin, dass die Bürgerrechte eigentlich Rechte wohlhabender Männer seien. Bürgerliche Frauenbewegungen kämpften dann im 19. Jahrhundert vor allem darum, die bestehende gesellschaftliche Ordnung mitzugestalten.

In der Schweiz versuchten sie dazu mehrfach, die Verfassung neu auszulegen: Ausgerechnet das heute so kontrovers diskutierte generische Maskulinum sollte den Frauen dabei zum Stimmrecht verhelfen. Der Begriff «Stimmbürger» im entsprechenden Verfassungsartikel könne die Frauen durchaus mit einschliessen, so das Argument. Doch das Bundesgericht wies diese Lesart der Verfassung stets zurück.

Solche getrennte Sphären und Aufgaben für Männer und Frauen hatten sich im Zuge von Industriegesellschaft und Kapitalismus längst etabliert. Die weibliche Erwerbstätigkeit – im 19. Jahrhundert eine Realität – wurde als Argument für die Verleihung des Stimmrechts ignoriert. Lieber arbeitete man in die andere Richtung und versuchte, Frauen auch von der «Bürde» des Erwerbslebens zu befreien: der sogenannte Familienlohn und die Ehepaarrente wurden eingeführt und die Frau in Gesetzen als schutzbedürftig gezeichnet, so dass in den 50er- und 60er-Jahren verheiratete Schweizerinnen oftmals nicht oder in Teilzeit erwerbstätig waren.

Als der Bundesrat 1968 in Erwägung zog, die Europäische Menschenrechtskonvention vorbehältlich des Frauenstimmrechts zu unterzeichnen, zogen Frauen unterschiedlicher politischer Couleur vor das Bundeshaus und demonstrierten für Frauenrechte als Menschenrechte. Dieser Protest, gewandelte gesellschaftliche Vorstellungen bei der Stimmrechtsfrage sowie gestiegene weibliche Erwerbstätigkeit waren Faktoren, die dazu führten, dass den Frauen das Wahl- und Stimmrecht 1971 schliesslich gewährt wurde.

Gleichzeitig forderte eine neue Frauenbewegung tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen. So stand unter anderem das 1912 in Kraft getretene und bis 1988 gültige, patriarchale Eherecht, das den Mann als Oberhaupt der Familie positionierte und ihn beispielsweise dazu berechtigte, über die Erwerbstätigkeit der Ehefrau oder das gemeinsame Vermögen allein zu bestimmen, der Gleichstellung im Weg. Immer wieder baute die Frauenbewegung Druck auf – der 1981 in der Verfassung verankerte Gleichstellungsartikel gelangte so im Anschluss an den Frauenstreik von 1991 zur Umsetzung, der lange geforderte legale Schwangerschaftsabbruch mit der Annahme der Fristenlösung 2002, die Mutterschaftsversicherung 2005.

1971 war also keineswegs nur Endpunkt einer Entwicklung, dennoch aber ein wichtiger Meilenstein: Das 1988 in Kraft getretene Eherecht etwa wurde nur dank dem Frauenstimmrecht angenommen. Während sich Männer mehrheitlich dagegen aussprachen, fand die Vorlage bei Frauen breite Zustimmung.

Andrea De Vincenti ist Dozentin im Zentrum für Schulgeschichte an der PH Zürich.