«Soll wirklich ein Spiel gefördert werden, bei dem die Guten immer besser werden?»

René Vuk ist Bereichsleiter Bewegung und Sport auf der Primarstufe an der PH Zürich. Im Interview sagt er, weshalb klassische Ballspiele wie Völkerball und Sitzball nicht mehr zeitgemäss sind und welche Alternativen sich bieten.

Aktuell sind zwei wissenschaftliche Untersuchungen an der PH Zürich in Arbeit, die sich mit dem Thema Ballspiele beschäftigen. Worum geht es da genau?
In den Studien geht es um Fragen rund um die spielorientierte Vermittlung von Sportspielen und damit um die Abkehr von der reinen Technikorientierung wie beispielsweise vom Erlernen des Korblegers oder des Sprungwurfes im Handball. Diese Auseinandersetzung mit dem Thema ist ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung von Sport unterrichtenden Primarlehrpersonen. Und in diesem Zusammenhang wünschen wir uns einen kritischeren Umgang mit sogenannten «ballflüchtigen Spielen», zu denen etwa Völker- oder Sitzball zählen.

Sind die nicht extrem beliebt?
Doch. Gerade auch bei Lehrpersonen, die selbst positive Erlebnisse in ihrer Schulzeit mit diesen Spielen sammeln konnten. Dennoch muss man sich – aus heutiger Sicht – einige Fragen stellen.

Die wären?
Es gibt verschiedene Aspekte. Etwa die ethische Ebene. Möchte ich beim Völkerball wirklich einen «Genozid» in der Halle inszenieren, bei dem Völker ausgerottet werden? Denn werden die Spielregeln konsequent umgesetzt, dann ist es nichts anderes als das. Es ist aber auch so, dass «etwas runterschiessen» tief in uns verankert ist. Aber wäre da nicht etwa das Dosenschiessen an der Chilbi der bessere Ort, um das auszuleben?

Gibt es auch sportliche Aspekte, die gegen die ballflüchtigen Spiele sprechen?
Ja, die gibt es. Zuerst einmal: Soll wirklich ein Spiel gefördert werden, bei dem die Guten immer besser werden? Das Ziel des Sportunterrichts ist, dass möglichst viele Kinder möglichst viele Erfolgserlebnisse haben. Das erreicht man mit diesen Spielen nicht. Ausserdem sollten die Schülerinnen und Schüler nicht lernen, sich vor einem Ball wegzuducken, sondern viel eher mit ihm zu interagieren. Denn neben dem Kriterium «Ziele treffen» gibt es noch vieles mehr, wie etwa «Sich mit dem Ball fortbewegen», «Annehmen» oder «Taktik».

Welche Alternativen bieten sich an?
Spiele auf kleinen Feldern wie Reifenball oder Schnappball. Aber auch Wurfspiele wie Rollmops, bei dem man in der Mitte der Halle eine Bank aufstellt mit Plastikzylindern, die auf das andere Feld geschossen werden müssen. Sehr beliebt ist auch Brennball oder Mattenlauf. Richtig spannend wird es, wenn sich die Kinder selbst mit Ideen einbringen, wie das Spiel intensiver werden könnte. Etwa indem sie sich neue Regeln ausdenken, wie viele Kinder gleichzeitig rennen dürfen. Im Zyklus 2 führen wir die Schülerinnen und Schüler dann an die traditionellen Sportspiele heran durch spielechte Formen wie Kegelunihockey (Unihockey), Funino (Fussball), Aufsetzerball (Handball) oder Königsball (Basketball).