Eine Schule geht neue Wege beim Beurteilen

Kinder beim Lernen begleiten und sie gleichzeitig zu einer eigenverantwortlichen Lernorganisation führen – liegt hier das Potenzial einer neuen Lernkultur? An der Primarschule Bonstetten zeigt dieser Ansatz Erfolg und löst Begeisterung aus.

Melanie Schweizer (l.) und Kerstin Zeidler sind davon überzeugt: Ohne Noten macht das Lernen mehr Freude. Foto: Dieter Seeger

Das Zeugnis ohne Noten kam coronabedingt im Sommer 2020. An der Primarschule Bonstetten sahen zwei Lehrpersonen die grossen Vorteile für die Kinder und überzeugten Eltern und auch Lehrpersonen, dass Lernen ohne Noten mit Hilfe der lernbegleitenden Person funktioniert. Inzwischen führen sie diesen Ansatz mit Begeisterung weiter.

Die Lernziele werden mit dem Kind gemeinsam verabredet. Der Schüler oder die Schülerin kann entscheiden, wo, wann und wie oder mit wem er oder sie lernt, darf sich also selbst organisieren. Er oder sie wählt beispielsweise in Mathematik Übungen entsprechend dem eigenen Niveau, schreibt einen Probetest, kann anschliessend noch zielgenau üben und sich den Schlusstest im Niveau anpassen. Als Abschluss kommentiert die Lehrperson den Prozess. «Auch wenn dabei etwas nicht sofort funktioniert, sind das wertvolle Lernschlaufen», sagt Kerstin Zeidler, Lehrperson in einer 4.–6. ADLKlasse in Bonstetten. Zusammen mit Melanie Schweizer, Fachlehrerin in der Unter- und Mittelstufe, beobachtete sie, dass die Kinder auch ohne Notenkontrolle lernen oder sogar mehr. «Es passieren magische Lernmomente, wenn ich als Lehrperson loslasse und die Kinder in ihre Eigenverantwortung führe», meint Melanie Schweizer. So macht das Unterrichten und auch das Lernen mehr Freude.

«Das Kind kann an einer Note nicht erkennen, wo es noch Reserven hat», ist Kerstin Zeidler überzeugt. Dagegen sieht sie in der Selbstbeurteilung viel Potenzial, den eigenen Lernerfolg zu erleben. Zum Beispiel wenn das Kind in einem Lerntagebuch kleine Lernschritte selbst dokumentiert und dadurch in der selbständigen Lernorganisation bestärkt wird. Solche Lernportfolios können analog oder digital geführt werden. Beide Lehrerinnen geben auch immer wieder Rückmeldung, auch durch Audiofeedbacks.

Eigenverantwortung für Schülerinnen und Schüler
Der Lehrplan 21 gibt viel Freiheit und bietet neue Gestaltungsmöglichkeiten für die Lernbegleitung. Um den Lernprozess stärker zu fokussieren, ist ein Umdenken auf Seite der Lehrerinnen und Lehrer erforderlich. Melanie Schweizer ist überzeugt: Wenn Schülerinnen und Schüler mehr Eigenverantwortung erhalten, können sie ihr Potenzial viel besser entfalten. «Wenn man seine Haltung als Lehrperson ändert, erkennt man, welche grossen Fähigkeiten ein Kind überfachlich einbringt.» Nicht das Auswendiglernen für Prüfungen sollte belohnt werden, denn das befähigt nicht für das Leben, sondern Dinge in Zusammenhängen zu erkennen, sind sie überzeugt – und fühlen sich bestätigt durch die Rückmeldung von Schülerinnen und Schülern, die weiterführende Schulen besuchen: «Sie sind motivierter und wissen sich zu helfen», sagen sie stolz.

Die Lehrerinnen haben eine Vision vom Lernen: Sie wollen das selbst organisierte Lernen auf Basis der 4K-Methode fördern (siehe Box unten). «Warum denkt man immer noch in Fächern? Der Lehrplan ermöglicht es, fächerübergreifend und projektorientiert zu arbeiten. Das kreist in unserem Kopf herum», sagen Kerstin Zeidler und Melanie Schweizer.

Das 4K-Modell

Das Modell formuliert Kompetenzen, die für Lernende im 21. Jahrhundert von herausragender Bedeutung sind:

  • Kommunikation
  • Kollaboration
  • Kreativität
  • Kritisches Denken

Angebote zum Thema Beurteilen: phzh.ch/beurteilen

Hinweise zum Thema Formative Beurteilung des Volksschulamts des Kantons Zürich im Lehrplan 21: tiny.phzh.ch/LP21_beurteilen