Die «neue Normalität» in der berufspraktischen Ausbildung

Seit über einem Jahr beeinflusst Corona die Ausbildung an der PH Zürich. Da die Schulen weitgehend offengeblieben sind, kann die berufspraktische Ausbildung fast normal stattfinden. Für die Studierenden sind Praktika einer der wenigen physisch stattfindenden Lernorte und entsprechend wichtig.

Am 16. März 2020 – just beim Start des ersten Lockdowns – hätte für viele Studierende der PH Zürich das siebenwöchige Quartalspraktikum beginnen sollen. Der bundesrätliche Entscheid, die Schulen zu schliessen, tangierte auch die Praktika. Brian Lassner, Student der Sekundarstufe I im dritten Jahr, verspürte auch eine gewisse Erleichterung: «Die Situation in den Tagen zuvor war so verwirrend und hektisch, dass ich mich gar nicht richtig auf das bevorstehende Praktikum konzentrieren konnte.» Rahel von Moos, Kindergartenlehrperson an der Schule Birch in Zürich und Praxislehrperson der PH Zürich bestätigt: «Es war eine völlig neue Situation für uns alle.» Sie versuchte, die ihr zugeteilten Studierenden so gut wie möglich in den Fernunterricht einzubinden und bat sie beispielsweise, sich Aufgaben für die Kinder zu überlegen. Das habe gut geklappt. Brian Lassner engagierte sich wie viele seiner Kommilitoninnen und Kommilitonen als schulische Betreuungsperson.

Anpacken und helfen, wo nötig
Die Erleichterung war gross, als die Schulen nach den Frühlingsferien wieder öffneten und die letzten drei Wochen des Quartalspraktikums doch noch in der Schule stattfinden konnten. Die PH Zürich reagierte schnell und passte die Bewertungskriterien und Aufträge in der berufspraktischen Ausbildung der neuen Situation an. Dabei sei laut Lassner pragmatisch und wohlwollend gehandelt worden. «Die Studentinnen und Studenten sollten für die Schulen und Lehrpersonen keine Belastung sein, sondern dort anpacken und helfen, wo es nötig war», erklärt Bruno Kaufmann, Bereichsleiter der Sekundarstufe I der PH Zürich.

An den Schulen herrschen heute strenge Hygienevorschriften. An das Maskentragen im Unterricht haben sich die Studierenden inzwischen gewöhnt. Foto: Sophie Stieger

Heute habe sich die Situation etwas beruhigt – eine «neue Normalität», wie Rahel von Moos betont. An den Schulen herrschen strenge Hygienevorschriften, für Erwachsene und Kinder ab der 4. Klasse gilt Maskenpflicht. Brian Lassner ist glücklich, wenn er möglichst oft in der Schule unterrichten kann. Alle Praktika ausser des Quartalspraktikums konnte er wie geplant absolvieren, daneben unterrichtet er in einem kleinen Pensum an einer Schule in Zürich. Doch normal sei die Situation bei Weitem nicht. In gewissen Fächern, etwa im Sport und in der Musik, müssen die Studierenden auf die Coronabestimmungen – etwa keinen Körperkontakt, kein Singen in der Gruppe – Rücksicht nehmen und den Unterricht entsprechend anpassen. Daran gewöhne man sich. Lassner bedauert, dass der Austausch und informelle Kontakt mit den Mitstudierenden und Dozierenden zu kurz komme, etwa der gemeinsame Kaffee im Teamzimmer oder die Gespräche im Zug.

Auch für die Schülerinnen und Schüler sei Corona eine grosse Belastung – es seien kleine Punkte, die sich aufsummierten. Alle vermissten die ausserschulischen Lernorte wie Klassenlager, Ausflüge oder Sporttage. Positiv sei: «Der Beruf des Lehrers, der Lehrerin hat ein anderes Ansehen bekommen und erhält mehr Wertschätzung.» Und die Schulen hätten digital aufgerüstet und ein anderes technisches Bewusstsein entwickelt. Und die Schülerinnen und Schüler? Dazu Lassner: «Ich frage häufiger nach, wie es ihnen geht.» Das Soziale sei in dieser Pandemiezeit noch wichtiger geworden.

Unterrichtsbesuche können vor Ort stattfinden
Rahel von Moos erlebte die Veränderung an den Schulen ähnlich. Ihre Aufgabe als Praxislehrperson habe sich durch Corona nur wenig verändert. Infolge Krankheit, Quarantäne oder Tests kam es vermehrt zu Absenzen. «Alle müssen flexibel sein», so von Moos. Sie schätzt es, dass die Mentorinnen und Mentoren der PH Zürich ihre Unterrichtsbesuche nach wie vor physisch absolvieren und man nicht virtuell besucht und von einer Kamera beobachtet werde. Dies erleichtere die Zusammenarbeit. Und die Masken? Auch daran hätten sich alle erstaunlich schnell gewöhnt. Probleme gebe es bei Schülerinnen und Schülern mit sprachlichen Schwierigkeiten, die die Mimik nicht lesen könnten, oder im Sprachtraining. Erst Langzeitstudien würden zeigen, wie und ob sich die Masken auf die Sprachförderung der Kinder auswirken würden.