Die Masterarbeit

Wie beginnen? Das ist beim Schreiben stets die grosse Frage. Soll der Einstieg eine Anekdote sein? Oder besser mit dem Ort des Geschehens anfangen? Im Rahmen ihrer Masterarbeit zum Thema «Der erste Satz» hat Gabi Schwegler mit ihrer Klasse einen längeren Aktionszyklus im Bereich des Creative Writing durchgeführt.

Die Quereinstieg-Studentin unterrichtete bereits während des Studiums an der Sekundarschule für Kunst- und Sporttalente in Uster. Als ehemaliger Journalistin ist Schwegler besonders stark bewusst, wie wichtig eine hohe Schreibkompetenz für das Berufsleben ist, wie dies auch der Lehrplan 21 postuliert. Aber wie bringt man Jugendliche dazu, besser zu schreiben? Um dieser Frage nachzugehen, arbeitete Schwegler mit der Methode der Aktionsforschung. Im Corona-Jahr 2020 fand die Unterrichtssequenz jedoch unter erschwerten Bedingungen statt. Wegen des Homeschooling und gesplitteter Klassen zog sich das Projekt von der 2. bis in die 3. Stufe hinein. Die Lehrerin hielt dabei an ihrem Ziel fest, ihren Schülerinnen und Schülern ein befreites Schreiben in vielfältigen kreativen Formen ohne Notendruck zu ermöglichen.

So hat die Klasse etwa mit Story Cubes experimentiert. Dabei handelt es sich um mit Bildern und Symbolen versehene Würfel, die dazu inspirieren, immer wieder neue Geschichten zu erfinden. Die Lehrerin liess zudem zwei- und mehrsprachige Texte schreiben sowie Knicktexte, bei denen mehrere Personen am selben Text arbeiten. Ausserdem regte sie spielerische Wechsel der Erzählperspektiven an. Zum Beispiel gab sie den Jugendlichen die Situation einer Tüte Popcorn vor, die auf dem Schulhausdach explodiert. Ein Schüler beschrieb die Szene etwa aus Sicht des Popcornbeutels und begann seinen Text mit den Sätzen: «‹Warum will mich niemand? Ich liege hier schon seit Tagen herum, doch alle gehen an mir vorbei›, fragte ich mich enttäuscht.» Im Rahmen der Schreibarbeit lernten die Jugendlichen ausserdem, sich in strukturierter Weise gegenseitig Feedback zu geben. Über die Dauer der Aktionsforschung hat die Autorin vier sogenannte Fokusschülerinnen und -schüler mit unterschiedlichen Leistungsniveaus enger als den Rest der Klasse begleitet. Diese hat sie vor und nach der Untersuchung anhand eines Leitfadeninterviews befragt. Sie kam zum Schluss, dass alle im Laufe der Lernsequenz Fortschritte in der Ideenfindung, Planung, Steuerung und Kontrolle des Schreibprozesses gemacht hatten – unabhängig davon, ob hochtalentiert, sehr belesen oder als Zweitsprachige besonders gefordert. Ihre Einschätzung entsprach der Selbstwahrnehmung der Befragten.

«Das häufige Schreiben führt zu einer Schreibroutine, die den Schülerinnen und Schülern Sicherheit gibt und sie an Bewertungsanlässen entlasten kann», schreibt die Autorin in ihrem Fazit. Die 36-Jährige unterrichtet weiterhin an derselben Schule und ist entschlossen, das Creative Writing mit einer nächsten Klasse wieder durchzuführen. «Dank der Masterarbeit habe ich erkannt, wie wertvoll eine systematische Auseinandersetzung mit Textprozeduren und Kreativitätstechniken ist.»