
Unser Umgang mit der Corona-Pandemie lässt sich in zwei Phasen einteilen. In der ersten, im Lockdown des Frühlings 2020, waren wir in einer Schockstarre. Der Bundesrat regierte mit Notrecht, und wir fügten uns – aus Angst vor dem Virus und aus Einsicht in die Massnahmen, die das gesellschaftliche Leben stilllegten.
Mit der zweiten Welle im letzten Herbst traten wir in die nächste Phase ein, die bis heute andauert. Die Mehrheit der Bevölkerung ist vom Sinn der behördlichen Restriktionen weiterhin überzeugt. Doch etwas hat sich verändert. Die Angst aus dem ersten Lockdown ist einem Lamento gewichen. Wir jammern kollektiv und laut: Die Arbeit im Homeoffice sei öde, der Skype-Apéro schon lange nicht mehr lustig, das Take-away-Essen einem verleidet. Seit Monaten verbreitet sich schlechte Stimmung ebenso rasant wie das Virus.
Dass man in Zeiten wie diesen jammert, ist verständlich. Wer vermisst nicht den Small Talk im Büro, den Barbesuch mit Freunden oder das Abendessen im Restaurant. Doch Jammern über Corona ist ebenso unnütz wie Wehklagen über schlechte Karten beim Jassen: Es ändert nichts an der Situation, auch nach dem hundertsten Seufzer nicht. Im Fall von Corona verschiebt Jammern zusätzlich die Perspektive: Das Virus ist nicht wegen Partyverbot, Fussballgeisterspielen und geschlossenen Theatern schlimm. Es ist schlimm, weil viele in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sind. Und weil weltweit Millionen daran qualvoll sterben.
Möglicherweise wird es Sommer oder sogar Herbst, bis wir unser altes Leben wiederbekommen. Bis dann weiter zu jammern könnte auch unser Gehirn schädigen. Man weiss aus Studien, dass Unmut den Hippocampus schrumpfen lässt. Das ist jener Teil des Gehirns, der für das Gedächtnis verantwortlich ist. Chronisches Lamentieren kann also vergesslich machen.
Doch was tun? Wir sollten in den Jammer-Lockdown gehen. Drei Wege führen dorthin: Gelassenheit, Engagement und Humor.
Gelassenheit: Die Stoa, eine praktische Philosophie der Antike, teilt die Welt in zwei Sphären: in Dinge, die wir beeinflussen können, und solche, die sich unserem Zugriff entziehen. Weise ist, wer das eine vom andern unterscheiden kann. Das schafft Gelassenheit. Konkret: Corona hört unser Jammern nicht. Doch wer im Homeoffice in Hemd und Hosen an der Videokonferenz teilnimmt – statt im Pyjama, verdeckt durch eine Strickjacke –, holt sich selbst aus dem Loch.
Engagement: Wer der konkursbedrohten Stammbeiz helfen möchte, sollte Geld spenden. Und wer einem Freund in Quarantäne ein gutes Buch schenkt, macht ihm eine Freude. Engagement ist ein Mittel gegen Ohnmacht und hinterlässt bei allen Beteiligten ein gutes Gefühl.
Humor: Statt die schwierige Situation immer weiter auszuleuchten, lohnt es sich, dem Rat des britischen Autors Stephen Fry zu folgen. Fry sagte einmal, ein Selbsthilfebuch mit dem Titel «Wie man glücklich wird – hundertprozentige Erfolgsgarantie» schreiben zu wollen. Es würde aus lauter leeren Seiten bestehen. Nur auf der letzten stünde: «Hör auf, dich selbst zu bemitleiden – und du wirst glücklich sein.»