«An Noten kann man sich gut festhalten»

Mirjam Egloff, Dozentin Medienbildung

Warum wird «beurteilen» oft nur mit Noten verbunden?
Eine gesellschaftliche Funktion von Schule, historisch gesehen, ist die Selektion; diese wurde durch Noten sichtbar gemacht und legitimiert. Heute – in unserer Kultur der Digitalität – sind veränderte Kompetenzen notwendig, welche mit herkömmlichen Prüfungen und Noten nicht mehr adäquat abgebildet werden können. Die Wirtschaft sucht Menschen, die eigenständig Dinge planen, Lösungen durchdenken, mit anderen Ideen entwickeln können. Studien belegen, dass Noten wenig Aussagekraft haben, einen Vergleich der Leistungsfähigkeit oder -bereitschaft nur sehr bedingt zulassen und den zugrunde liegenden Lernprozess nicht aufzeigen können.

Worin liegen die Schwierigkeiten, formative Beurteilung umzusetzen?
Der Lehrplan 21 beansprucht formative, prozessbegleitete Beurteilung, summative Bewertungen (Noten) kommen erst nach einem längeren Zeitraum zustande. Es geht darum, den Lernprozess sichtbar zu machen. Zum Beispiel gestalten Erstlässlerinnen und -klässler ein E-Book, indem sie jede Woche eine Zeichnung sowie einen selbst geschriebenen Satz als Foto einfügen und als Audio aufnehmen, wie sie vorlesen.

Was ändert es für das Kind, wenn nicht auf seine Noten fokussiert wird?
Wenn ein Kind durch gehaltvolles Feedback in einem nächsten Lernschritt schneller in den Flow kommt, lernt es viel nachhaltiger. Die Lehrperson begleitet den Lernprozess, legt den Fokus auf die Strukturen und ermöglicht so individuelles Lernen. Das Kind gestaltet seinen Prozess mit und wird schon mit dieser Aufgabe gefördert, weil es ganzheitlich lernt. Mit einem Gelingensnachweis statt Noten (zum Beispiel Erklärfilme erstellen, digitale oder analoge Plakate gestalten statt Abfrageprüfung) wird Lernen sichtbar gemacht für alle Beteiligten.

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