«Es war einmal …» – So beginnt für gewöhnlich das Märchen. Auch Carlo Collodis Pinocchio (Anaconda 2011) setzt mit dieser Formel ein. Aber der Erzähler hält inne und belehrt sein junges Publikum, dass dieses Märchen nicht mit einem König, sondern einem Stück Holz anfängt.
Seit seiner Entstehung als Fortsetzungsgeschichte im Jahr 1881 hat das Lehrstück von der grimmigen Holzpuppe nichts von seiner schaurigen Faszination eingebüsst und lebt als Parabel von der Menschwerdung in vielen Erzählungen fort.
Nach zahllosen Medienadaptionen und Umarbeitungen des Stoffes kehrt Regisseur Matteo Garrone mit seinem Pinocchio (2019) zu Collodis Original zurück und präsentiert die ergreifende Geschichte in poetischen Bildern, ohne die Brutalitäten auszusparen. Roberto Benigni, der 2002 in seiner Komödie noch selber den frechen Hampelmann mimte, schlüpft hier in die Rolle des armen Holzschnitzers Geppetto und überzeugt als zärtlicher und nachsichtiger Vater. Aber Wahrheitsliebe und Dankbarkeit sind dem unfolgsamen Pinocchio fremd. Immer wieder lässt er sich von Launen und schlechten Gesellen vom Weg abbringen, bis er geläutert und zum richtigen Jungen wird.
Hier endet die Geschichte, aber in seinem märchenhaften Kinderroman Der junge mit dem Herz aus Holz (Fischer 2014) greift der irische Schritsteller John Boyne die Fäden noch einmal auf. Als der achtjährige Noah von zu Hause wegläuft, weil seine Mutter im Sterben liegt, landet er in einem magischen Spielzeugladen voller Marionetten, dessen kauziger Besitzer sich am Ende als der alte Pinocchio entpuppt.