Eine Studie der PH Zürich untersucht die Motive für die Wahl der Fremdsprache auf der Sekundarstufe I. Studierende wählen oft die Sprache, in der sie sich bereits kompetent fühlen, die sie besonders mögen oder die sie als besonders nützlich oder wichtig einschätzen.
Sei es auf der Primar- oder auf der Sekundarstufe: Das Fach Französisch wird im Vergleich zu Englisch deutlich seltener gewählt. Im Kanton Zürich startet das Fach in der 5. Klasse der Primarschule als zweite Fremdsprache mit drei Wochenlektionen. Die Motivation der Schülerinnen und Schüler ist in vielen Fällen eher tief – die Sprache gilt gemeinhin als schwierig, die Kinder haben in den meisten Fällen keinen spontanen Zugang dazu –, entsprechend anspruchsvoll ist die Gestaltung des Unterrichts.
Auch an der Pädagogischen Hochschule Zürich ist Französisch weniger beliebt als Englisch. Auf der Sekundarstufe I liegt das Verhältnis der gewählten Sprache bei rund einem Viertel Französisch und drei Vierteln Englisch (siehe am Ende des Artikels). Dies wirkt sich auch auf den Stellenmarkt aus. So berichten Lehrpersonen mit einer Unterrichtsberechtigung in Französisch von einem erheblichen Vorteil bei der Stellensuche.
Aus Sicht des Bundes sind die Landessprachen für den nationalen Zusammenhalt, das Verständnis der anderssprachigen Bevölkerung sowie für den internationalen Wettbewerb von nachhaltiger Bedeutung. Seit der Einigung auf eine interkantonale Sprachenstrategie im Jahr 2004 gab es zahlreiche weitere politische Anstrengungen zur Weiterentwicklung des Fremdsprachenunterrichts in der ganzen Schweiz.
Eine Studie der PH Zürich untersucht nun die Motive von ausgewählten angehenden Lehrpersonen der Sekundarstufe I, warum sie Englisch oder Französisch wählen. Dabei wird untersucht, wie das bestehende Ungleichgewicht erklärt werden kann und ob sich die Ausbildung an der PH Zürich im Hinblick auf Einstellungen und Motivation von zukünftigen Lehrkräften entscheidend auswirkt. Erste Ergebnisse der Studie liegen nun vor.
Vier Hauptmotive bestimmen die Fächerwahl
Das am häufigsten genannte Motiv, warum Studierende die eine oder andere Fremdsprache wählen, ist die eigene Sprachkompetenz. So sagte eine der Befragten: «Für den Unterricht hilft es, wenn man vor die Klasse steht und die Sprache einfach kann. Beim Französischunterricht geht’s zwar auch, aber ich fühle mich etwas weniger sicher.» Ein anderer Student erwähnte: «Ich kann Französisch nicht gut genug, dass ich mir bei Studienbeginn hätte vorstellen können, dies als Fach zu nehmen.» Französischdozent Reto Zöllner gibt diesbezüglich zu bedenken, dass gemäss seiner Erfahrung die Studierenden bei Studienbeginn ihre Kompetenz im Französisch eher unterschätzten und im Englisch eher überschätzten. Das Erreichen des erforderlichen Diploms sei jedoch in beiden Fächern gleich anspruchsvoll. Die Wahl einer Fremdsprache könnte also in Bezug auf die Kompetenz teilweise von einer falschen Selbstwahrnehmung geprägt sein, sagt Reto Zöllner.
Ein weiteres wichtiges Motiv für die Wahl der Fremdsprache ist die Freude an der Sprache und Kultur. Dies zeigen Aussagen wie die folgenden: «Ich war immer irgendwie im Englisch drin, es war für mich die coolste Sprache» oder «Ich finde, die französische Sprache klingt wunderschön.»
Einige Teilnehmende begründeten die Wahl der Fremdsprache ausserdem mit dem Wunsch, im Unterricht Wichtiges weitergeben zu wollen. Dieses Motiv ist laut Studie eng gekoppelt mit eigenen Erfahrungen und Überzeugungen, die die Studierenden im Zusammenhang mit dem Erlernen der jeweiligen Fremdsprache gemacht haben – sei es, dass Englisch ein globaler Türöffner oder Französisch eine schützenswerte Landessprache ist. Je höher die Sprachkompetenz, desto einfacher gestaltete sich für diese Befragten der Zugang zu fremdsprachigen Gemeinschaften oder zu nationalem oder internationalem Kulturgut.
Zusammenfassend kommt die Pilotstudie zum Schluss, dass bei der Wahl einer Fremdsprache neben der intrinsischen Freude an der Sprache auch die höher eingeschätzte Fremdsprachenkompetenz zusammen mit dem Wunsch, die persönliche Überzeugung des Potenzials oder der Notwendigkeit einer Sprache weiterzugeben, entscheidend sind. «Es ist oft ein Zusammenspiel verschiedener Motive», so Luzia Sauer, Co-Leiterin der Studie. Auffällig sei, dass es entgegen der gängigen Vorstellung auch Studierende gebe, die die Fremdsprache nicht in erster Linie aus Freude an der Sprache oder Kultur wählten, sondern aus Gründen des Sprachnutzens.
Den Nutzen der Sprache erleben
Sollten sich die erhaltenen Erkenntnisse in der aktuell laufenden Hauptstudie erhärten, könnten sie in die Weiterentwicklung und Bewerbung der Französischstudiengänge einfliessen mit dem Ziel, mehr Studieninteressierte zu gewinnen. Auch für den Sprachunterricht in den Schulen könnte es Implikationen haben, wenn intrinsische und extrinsische Sprachmotive als gleichwertig betrachtet werden. Luzia Sauer: «Fremdsprachenlehrpersonen, welche insbesondere auch den Nutzen der Fremdsprachkenntnisse selbst erlebt haben und schätzen, schaffen es vielleicht eher, ihre Schülerinnen und Schüler zu motivieren. Dies gerade im Französisch, wo die intrinsische Motivation für die Sprache und Kultur bei den Schülerinnen und Schülern oft zu fehlen scheint.»
Luzia Sauer ist zudem überzeugt: «Lehrpersonen, denen es möglich ist, Aktivitäten zu kreieren, die nicht primär die Sprachverbesserung zum Ziel haben, sondern auch den integrierenden und kommunikativen Nutzen des Sprachgebrauchs immer wieder ins Zentrum rücken, können für einen erfolgreichen Sprachunterricht ganz entscheidend sein.»