Eine Frage, drei Antworten: Wie haben Sie Corona erlebt?

Mario Bernet, Primarlehrer Schulhaus Sihlfeld

Wenn ich mir einen Reim auf die sechs Schulwochen nach dem 13. März zu bilden versuche, gelange ich zu sechs vorläufigen Einschätzungen.

Erstens: Schule ohne Präsenzunterricht kann die richtige Schule nicht ersetzen. Zweitens: Fällt die Schule weg, steht eine Belastungsprobe für viele Familien an. Drittens: Ein guter Fernunterricht nährt die Lust nach fundiertem Lernen. Er löst diesen Anspruch ein, wenn er gut strukturiert und überblickbar ist. Viertens: Digitaler Unterricht war in meiner ersten Primarklasse von untergeordneter Bedeutung. Ich vermute, dass er auch auf späteren Schulstufen ein Notbehelf war, von dem sich die Beteiligten gerne wieder befreien. Fünftens: Die Corona-Krise ist ohne Zweifel eine unheilvolle Geschichte. Gleichzeitig rückt sie den Stellenwert der Schule in ein frisches Licht. Viele sehnten sich nach wirklicher Schule: Kinder, Eltern, auch die Lehrpersonen. Sechstens: Der Fernunterricht erinnert uns an die sinnvolle Rollenteilung zwischen Eltern und Lehrpersonen: Eltern sind keine Ersatzlehrpersonen. Wenn beide Seiten die Grenze zwischen Elternhaus und Schule respektieren, ist ein befristeter Fernunterricht ohne grossen Schaden zu überstehen. Wenn nicht, kann eintreffen, was eigentlich paradox klingt: Ein Kind meiner Klasse kam schulmüde aus den Wochen des Fernunterrichts zurück, weil die Eltern besonders gewissenhaft gewesen waren.

Laura Loder-Büchel, Englisch-Dozentin an der PH Zürich

Ich zähle zu den «Lucky Ones», die eh schon alles online machten. In den 90er Jahren unterrichtete ich an einer Uni mit vielen Studierenden im benachbarten Navajo-Reservat, die jeweils riesige Distanzen zurücklegen mussten. Die IT wurde damals im Reservat aufgebaut, um diese Distanzen zu überbrücken. Distance und Learning war für mich deshalb nichts Neues. Die Corona-Zeit war eine Chance, meine Inhalte mit neuen Tools zu bearbeiten. Ich habe mich aber gefragt, ob meine Arbeit wirklich bedeutend ist. Eine Zeit, in der Menschen um ihr Überleben kämpfen, relativierte meine Bemühungen um eine «korrekte Aussprache» umso mehr. Ich vermisse meine Studis, fühle mich leer ohne Publikum. Die Studis vermissen mich vielleicht nicht, viele lernen so mehr und besser! Die Englisch-Didaktik verändert die Welt nicht, aber kreativ präsentierte Inhalte, Feedback, Experimente, persönliche Gespräche, Zeit, Humor, Sharing und Caring sind wichtig, und diese Dinge sind im Distance Learning schwer vermittelbar.

Matilda, Sechstklässlerin Feldmeilen

Als wir erfuhren, dass die Schule für sechs Wochen ausfällt, konnte ich es gar nicht glauben. An das Homeschooling musste ich mich danach zuerst gewöhnen. Anfangs fand ich, dass wir sehr viele Hausaufgaben erhielten. Bald merkte ich aber, dass ich die Aufgaben gut bewältigen konnte. Mit der Zeit wurde es ziemlich langweilig, immer zuhause zu sein. Ich vermisste vor allem meine Freundinnen. Denn es ist nicht dasselbe, wenn man sich
nur im Videochat sieht. Dann wurde das Homeschooling ja sogar noch verlängert. Doch irgendwie ging auch diese Zeit vorüber. Zurück in der Schule war alles ganz anders. Wir hatten nur mit der halben Klasse Unterricht, die Pausen verbrachten wir gestaffelt und in abgetrennten Bereichen und am Ende des Unterrichts mussten wir unsere Tische und Stühle desinfizieren. Ich freue mich darauf, wenn wir wieder normal Schule haben. An diese spezielle Zeit werde ich mich aber sicher noch mein ganzes Leben erinnern.