Kinder haben Rechte. Diese sind in der «UNO-Kinderrechts-
Charta» festgehalten, welche die meisten Staaten und auch die Schweiz unterzeichnet haben und die aus insgesamt 54 Artikeln besteht. Sie definieren zum Beispiel das Recht auf Gleichheit, elterliche Fürsorge, eine gewaltfreie Erziehung, Bildung sowie Zugang zu medizinischer Versorgung.
In ihrer Bachelorarbeit hat sich Eleni Tremp damit beschäftigt, wie Kinderrechte in der Mittelstufe vermittelt werden können, und eine eigene Unterrichtsreihe entwickelt. Im Rahmen ihrer Recherche hat sie vorhandene Lehrmittel zum Thema durchforstet. Die meisten davon vermochten sie nicht zu überzeugen. Insbesondere störte sie sich daran, dass vor allem jüngeren Kindern zu wenig zugetraut werde. Es sei wichtig, Kinder bereits vor der Sekundarstufe mit Widersprüchlichkeiten zu konfrontieren, findet die Autorin. Zum Beispiel damit, dass Kinderrechte oft nicht eingehalten werden, obwohl sie eigentlich klipp und klar formuliert sind.
Die 22-Jährige hat die Behandlung des Themas in ihrer eigenen Schulzeit sehr positiv erlebt und ist überzeugt, dass bereits Mittelstufenkinder in der Lage sind, auch anspruchsvolle Dilemmata gewinnbringend zu diskutieren. Um diese Annahme zu erhärten, hat sie mit fünf Kindern zwischen 8 und 10 Jahren ein Gespräch über eine besonders zwiespältige Frage durchgeführt: Darf ein Straftäter gefoltert werden, um Informationen über den Aufenthaltsort seines Opfers zu erhalten? Die Autorin ist zum Schluss gekommen, dass die Kinder durch solche Auseinandersetzungen lernen, fundiert und differenziert zu argumentieren.
In ihrer eigenen vierteiligen Unterrichtsreihe will sie als Einstieg den Unterschied zwischen Wünschen und Bedürfnissen thematisieren sowie Grundbedürfnisse definieren, die für alle Kinder auf der Welt gelten. In einem zweiten Schritt sollen die Kinder die wichtigsten der in der UNO-Charta aufgelisteten Rechte kennenlernen. Sind diese Grundlagen mal gelegt, folgt der interessanteste Teil: In der dritten Sequenz befassen sich die Kinder anhand von realistischen Situationen mit den Schwierigkeiten im Umgang mit den Rechten. Zum Beispiel diskutieren sie, wie man reagieren sollte, wenn ein Kind auf offener Strasse von anderen geplagt wird. Zudem kommen hier komplexere Dilemmata zur Sprache – etwa dass ein Kind einen Willen äussert, der nicht seinem Wohle dient, oder dass es zu Missverständnissen kommt, weil sich ein Kind sprachlich nicht ausdrücken kann. In der vierten und letzten Sequenz erfahren die Kinder, wie ihnen die Kenntnisse ihrer Rechte im Alltag helfen können und wo sie Hilfe erhalten. Durch einen Postenlauf und Rollenspiele lernen sie verschiedene Anlaufstellen kennen.
Die angehende Primarlehrerin sieht es als ihre Pflicht, die Kinder auf ihre Aufgaben und Möglichkeiten in einem demokratischen Rechtsstaat vorzubereiten. «Die politische Bildung kommt oft zu kurz», stellt die Autorin fest, die selber politisch aktiv ist und sich für Minderheiten einsetzt. Sie hat im Sommer eine 6. Klasse übernommen und plant, die Unterrichtsreihe mit den Schülerinnen und Schülern zu erproben.