Leise Erschütterung

«Der Platz» (Suhrkamp, 2019)

Der Preis des sozialen Aufstiegs ist ein Thema, das in den autobiografischen Romanen von Didier Eribon und Édouard Louis und viel früher noch von Annie Ernaux verhandelt wurde.

Nach dem Tod des Vaters schreibt sie über ihn, den Verdingbub, Fabrikarbeiter und Kneipenwirt. Ihr Bildungshunger und die Fürsorge der Eltern haben sie studieren lassen und damit von ihrer Familie entfremdet. Sie hatten sich nichts mehr zu sagen, und nun versucht sie sich schreibend dem Vater wieder anzunähern – und zu erklären, wie sie zur sozialen Überläuferin geworden ist. Sie beschreibt ein Leben zwischen Entbehrung und Glücksbehauptung, ein Leben, das sie in die Bedeutungslosigkeit verdrängen musste, um Lehrerin werden zu können. Ein Schreibprozess, der «selbstverständlich keine Freude» bereitet, zwischen zwei Welten taumelnd: «Vielleicht sein grösster Stolz, sogar sein Lebenszweck: dass ich eines Tages der Welt angehöre, die auf ihn herabgeblickt hatte.»

Annie Ernaux. Der Platz. Aus dem Französischen v. Sonja Finck.
Berlin: Suhrkamp, 2019. 95 Seiten.

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