Auf dem Pausenplatz klebt am Rücken eines Kindes ein Zettel mit der Aufschrift: Bitte kick mich. Oder die Klassenkollegen rufen einem Jungen Fett-Mops hinterher: Bekannte Situationen aus dem Schulalltag. Doch wie können Kinder auf solche Begebenheiten reagieren? In ihrer Bachelorarbeit hat sich Lea Brem mit dem Thema Zivilcourage beschäftigt und dazu eine Unterrichtseinheit entwickelt.
Im Rahmen ihres Quartalspraktikums hat die Studentin der Primarstufe vor einem Jahr verschiedene Übungen in einer 5. und 6. Klasse ausprobiert. Zuerst einmal setzten sich die Kinder damit auseinander, wo Gewalt überhaupt beginnt. Wenn zum Beispiel beim Fussball ein Spieler dem anderen einen Tritt versetzt – ist das unter hochgehenden Emotionen verständlich oder überschreitet er die Toleranzgrenze? Die Schülerinnen und Schüler konnten ihre Zustimmung, Ablehnung oder Unentschiedenheit zum Ausdruck bringen, indem sie sich an verschiedenen Standorten im Raum platzierten.
Weiter zeigten Lehrpersonen aus dem Schulteam in einem kurzen Rollenspiel, wie jemand im Zug eine lesende Person aus dem Nichts heraus beschimpft und anrempelt. Darauf entstanden lebhafte Diskussionen, wie die Mitpassagiere handeln könnten. Die Kinder erzählten von ähnlichen Vorfällen, die sie erlebt hatten. Später schlüpften sie selbst in die Rollen von Opfern, Tätern oder Beobachtern und spielten Situationen aus dem Schulalltag nach. Somit lernten sie, sich in die verschiedenen Positionen einzufühlen. An der brenzligsten Stelle des Vorfalles stoppte das Spiel jeweils und die Klasse suchte gemeinsam nach Lösungen. Mögliche Interventionen wären zum Beispiel, durch eine bestimmte Körperhaltung und Stimme den Täter zu stoppen versuchen oder ihn mit einer Frage abzulenken.
Zur Vorbereitung auf ihre Arbeit hat die 24-Jährige selber einen Kurs bei Amnesty International besucht. Dabei hat sie erkannt: Zivilcourage bedeutet nicht zwangsläufig, dass man den Helden spielt. Oft reichen schon kleine Taten wie zum Beispiel, mutig für eigene Werte einzustehen oder anderen zu helfen. Weil sie keine Unterlagen zu einem entsprechenden Unterricht in der Primarschule finden konnte, stützte sich die Autorin auf Fachliteratur. Dabei sei das Thema gerade in diesem Alter äusserst relevant, schreibt Brem. «Oft werden Kinder gemobbt und ausgegrenzt und die anderen schauen nur zu oder machen sogar mit.» Es brauche Kinder, die bereit sind einzugreifen und auch später im Leben Zivilcourage zu zeigen. «Es war ein Wagnis, aus dem ich viel gelernt habe», sagt Lea Brem, die ihr Studium diesen Sommer abschliesst. Auch wenn es nicht möglich sei, perfektes Eingreifen zu üben, sei es ihr gelungen, die Schülerinnen und Schüler zu sensibilisieren. Für eine spätere Durchführung möchte sie die Übungen noch optimieren und vor allem auch mehr Zeit einplanen. Sie kann sich gut vorstellen, dass sie das Thema ab dem Sommer in ihrer eigenen 3. Primarklasse in angepasster Form aufgreift.