Die PH Zürich untersucht in Kooperation mit verschiedenen Hochschulen, wie das Führungsverhalten von Schulleitungen und die Zusammenarbeit im Team die Gesundheit von Lehrpersonen beeinflussen. Im Interview erläutert Projektleiter Roger Keller die ersten Ergebnisse.
Warum ein Forschungsprojekt zur Gesundheit von Lehrpersonen?
Keller: Wir beschäftigen uns in unserem Forschungszentrum mit der Frage, wie Schülerinnen und Schüler optimal unterstützt werden können, damit sie gute Leistungen erbringen und sich gesund entwickeln können. Damit Bildungserfolg erreicht werden kann, braucht es gesunde Lehrpersonen. Wir wollten deshalb wissen, welche Faktoren die Gesundheit von Lehrpersonen positiv beeinflussen.
Die Motivation war somit nicht zu untersuchen, wie gesund die Lehrpersonen in der Schweiz sind, sondern vielmehr, wie Gesundheit gefördert werden kann?
Das ist richtig. Das Thema Gesundheit von Lehrerinnen und Lehrern ist in letzter Zeit in den Schulen stärker in den Fokus gerückt und wird vermehrt als zentrale Führungsaufgabe der Schulleitung betrachtet. Uns hat die Frage interessiert, wie die Ressourcen von Lehrpersonen erhalten und gestärkt werden können, damit es gar nicht erst zu gesundheitlichen Problemen kommt.
Welche Faktoren beeinflussen die Gesundheit von Lehrpersonen?
Wir wissen aus der bisherigen Forschung, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Führungsverhalten der Schulleitungen und der Gesundheit von Lehrpersonen gibt. Aber wir wissen noch nicht, woraus dieser besteht. Um diese Frage beantworten zu können, haben wir im Schuljahr 2017/2018 über 1000 Lehrpersonen in Volksschulen in der Deutschschweiz befragt. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass verschiedene Mechanismen eine Rolle spielen. Zentral ist vor allem, dass die Befriedigung zweier psychologischer Grundbedürfnisse sich positiv auf die Gesundheit von Lehrpersonen auswirkt. Das erste Bedürfnis ist jenes nach Autonomie, dem die Schulleitung durch ihr Führungsverhalten direkt entsprechen kann. Das zweite ist das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit. Hier kann die Schulleitung indirekt Einfluss nehmen, indem sie für ein Arbeitsklima sorgt, das die soziale Unterstützung innerhalb des Teams fördert. Darüber hinaus haben wir weitere Einflussfaktoren auf die Gesundheit untersucht wie Zeitdruck, schwierige Elterngespräche oder wenn Lehrpersonen das Gefühl haben, von den Schülerinnen und Schülern nicht akzeptiert zu werden. Der erlebte Zeitdruck hat sich dabei ebenso als besonders wichtiger Belastungsfaktor herausgestellt.
Sie haben die Bedürfnisbefriedigung angesprochen. Was bedeutet dies hier konkret?
Die Schulleitung kann das Bedürfnis nach Autonomie befriedigen, wenn sie den Lehrpersonen Möglichkeiten zur echten Partizipation gewährt, ihre Eigenständigkeit fördert und Verantwortung abgibt. In Bezug auf den Unterricht heisst das, dass Lehrpersonen ihn so gestalten können, wie sie es für richtig halten. Bei allen anderen Arbeiten ist das Team gefragt – es sollte in herausfordernden Situationen oder bei schwierigen Fragestellungen Unterstützung und Rückhalt bieten. Die Schulleitung kann darauf Einfluss nehmen, indem sie Teamentwicklung fördert und entsprechende Impulse setzt.
Keine einfache Aufgabe für Schulleitungen – einerseits sollen sie führen, andererseits Autonomie gewähren.
Ja, Schulleitungen stellen sich häufig die Frage, welcher Führungsstil der richtige ist. Wichtig ist, die Faktoren zu kennen, die die Gesundheit von Lehrpersonen positiv beeinflussen, und zu wissen, welche Massnahmen umsetzbar sind. Die Ergebnisse haben aber auch gezeigt, dass nicht nur die Schulleitung, sondern auch das Team einen Einfluss auf die Gesundheit der Lehrpersonen haben. Wie sich all das im Schulalltag umsetzen lässt, werden wir noch mit Schulleitungen und Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Weiterbildung der PH Zürich diskutieren.
Wo liegt Ihrer Erfahrung nach die grösste Herausforderung für die Gesundheitsförderung an Schulen?
Wie überall in der Arbeitswelt ist Zeitdruck ein grosses Problem. Unter Zeitdruck hat das Alltagsgeschäft Priorität und es wird zu wenig in die Gesundheit investiert. Manche Lehrpersonen leben nach dem Motto «Mir wird schon nichts passieren – sobald ich Zeit habe, schaue ich, dass ich noch etwas Gutes für mich tue.» Hier kommt ein Optimismus zum Tragen, der sich häufig als unrealistisch herausstellt. Die Frage, wie man Verhaltensänderungen im Hinblick auf die eigene Gesundheit erreicht, ist ein weiteres Thema, das uns sehr beschäftigt: Wie kann man gute Vorsätze in die Tat umsetzen? Vor allem konkrete Pläne sind hier wichtig, sie helfen, Hindernisse zu überwinden. Und man muss sich selbst gut beobachten, ob man die Pläne auch wie vorgesehen umsetzt.