Die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit halte ich mittlerweile für wenig realistisch und auch nicht unbedingt für erstrebenswert. Trennen ist anstrengend, ich verbinde lieber.
Um Missverständnisse von vornherein auszuschliessen: Ich bin kein Workaholic und meine Überstunden bewegen sich im für meinen Job vollkommen üblichen Bereich. Den Nutzen einer gelungenen Work-Life-Balance habe ich verstanden und ich gehe ausgesprochen gerne in die Ferien. In den letzten Jahren habe ich aber meine Haltung zu dieser Thematik geändert. Das Rezept ist relativ einfach, es klappt nicht immer, aber ich arbeite dran. Erstens tue ich immer das, was gerade zu tun ist, ich tue es möglichst bewusst und ich knüpfe nicht meine eigene Zufriedenheit an eine Handlung. Bestenfalls führt das dazu, dass ich Dinge mit Freude tue, auch solche, die ich früher nie mit Freude getan habe. Wenn es klappt, dann habe ich nachher mehr Energie als vorher und der Begriff «Freizeit» relativiert sich. Natürlich brauche auch ich einen Ausgleich zur täglichen Arbeit. Ich treibe viel Sport, koche gern und lese viel, und beim letzten Punkt verbinde ich Arbeit und Freizeit durchaus gern. Ich habe aber sicherlich auch das Glück, dass ich einen wirklich spannenden und befriedigenden Job habe.
Ich trenne Arbeit und Freizeit nicht, weder ist die PH Zürich nur «Berufs-Ort», noch ist in Winterthur ausschliesslich mein «Freizeit-Ort». Als Mathematikdidaktiker «präpe» ich oft zuhause. Um 12 Uhr muss aber ein
Mittagessen für die Familie auf dem Tisch stehen, danach wieder arbeiten, ab 15.30 Uhr sind Wörter für die nächste Franz-Prüfung abzufragen oder eine Bewerbung für eine Schnupperlehre zu schreiben. Am Abend recherchiere ich zur Mathematikgeschichte. Das kann ich an Veranstaltungen einflechten, interessiert mich aber auch einfach so. In der Musik lassen sich Beruf und Freizeit noch weniger trennen. Wenn ich die Probe für den Mitarbeitenden-Chor der PH Zürich vorbereite, ist das Beruf; Planung für die Peperoncinis, meinen Pop-Rock-Chor, ist Freizeit – das fühlt sich aber genau gleich an. Und ob Chorprobe da oder dort, es macht einfach Spass – und wenn Arbeit und Freizeit Spass machen, so ist Trennung sowieso unnötig!
Zeit für die Arbeit, für die Familie, für sportliche Aktivitäten, für Pausen, für Hausarbeit, für Weiterbildungen, für kulturelle Anlässe – mein Leben setzt sich aus verschiedenen Momenten oder anders ausgedrückt «Zeitfenstern» zusammen. Klar definierte «Zeitfenster» in meinem Alltag, zum Beispiel, wann und wo ich meinen Unterricht vor- bzw. nachbereite oder wie lange ich joggen gehe, helfen mir eine gesunde Work-Life-Balance zu halten. Durch das Festlegen von Prioritäten, die sich je nach Wochentag, Monat oder Lebenssituation verschieben, und einer guten Organisation gelingt es mir in meinem Leben, Zeit für Verpflichtungen sowie Hobbys zu haben. Zwischen all den interessanten und vielfältigen Aufgaben sind für mich bewusst gelebte Pausen, spontan oder geplant, zentral. Diese bringen Ruhe in meinen Alltag, lassen mich Energie tanken und gestalten den Wechsel zwischen einzelnen Situationen, beispielsweise zwischen Arbeit und Freizeit, einfacher.