Gemeinsam mit der Hochschule für Heilpädagogik entwickelt die PH Zürich eine Ergänzung zum Lehrplan 21, die Lehrpersonen und Heilpädagoginnen bei der Erarbeitung von individuellen Lernangeboten für Schülerinnen und Schüler mit komplexen Behinderungen unterstützt. Damit wird gewährleistet, dass der Lehrplan 21 für alle Kinder und Jugendlichen als verbindlicher Rahmen zur Anwendung kommt.
Der Begriff «Bildung» wird im Lehrplan 21 als ein offener, lebenslanger und aktiv gestalteter Entwicklungsprozess des Menschen definiert. Aufgabe der Volksschule ist es, ihre Lernangebote so zu gestalten, dass diese Entwicklung bei allen Schülerinnen und Schülern bestmöglich gewährleistet wird. Hier setzt das Projekt der PH Zürich und der Hochschule für Heilpädagogik an, welches die zwei Hochschulen im Auftrag von 19 Deutschschweizer Kantonen sowie des Fürstentums Liechtenstein und unter der Federführung des Kantons Zürich durchführen. «Wir möchten die Schulen dabei unterstützen, dass auch Kinder und Jugendliche mit komplexen Behinderungen die im Lehrplan 21 definierten Bildungsziele erreichen können», sagt Co-Projektleiterin Judith
Hollenweger von der PH Zürich.
Damit dies gelingt, ist je nach Ausprägung der Behinderung des Kindes eine Anpassung des Unterrichts erforderlich. Dazu brauche es ein breites Verständnis von «fachlichem Lernen», so Judith Hollenweger. «Die Fachbereiche werden in unserem Konzept deshalb erweitert. Dies ermöglicht es, verbindliche Inhalte gemäss dem individuellen Lern- und Entwicklungsstand des Kindes zu vermitteln.» Der erweiterte Fachbereich «Sprachen» etwa umfasst so auch elementare Lernerfahrungen mit Schrift, Kommunikation und Medien, welche im Fachbereich «Sprachen» bereits vorausgesetzt werden.
Erweiterung der überfachlichen Kompetenzen
Gleichzeitig erhalten bei Kindern mit komplexen Behinderungen die überfachlichen Kompetenzen zusätzliche Bedeutung. Die überfachlichen Kompetenzen sind im Lehrplan 21 in die Fachbereiche eingearbeitet und beschränken sich auf die schulisch relevanten Aspekte. Bei allen anderen überfachlichen Kompetenzen wird davon ausgegangen, dass diese vor oder ausserhalb der Schule erworben werden. Vor diesem Hintergrund werden im Rahmen des Projekts nun sogenannte Befähigungsbereiche entwickelt, welche die überfachlichen Kompetenzen systematisieren und erweitern. «Die Befähigungsbereiche repräsentieren die für alle Menschen zentralen Handlungs- und Erfahrungsdimensionen und -aspekte», so Judith Hollenweger.
Bei der konkreten Unterrichtsplanung werden die entsprechenden Befähigungsbereiche individuell mit den erweiterten Fachbereichen in Bezug gebracht. Als drittes und letztes Element kommen dabei die gemäss der «Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF)» definierten Lebensbereiche hinzu. Diese umschreiben die für alle Menschen wichtigen Bereiche, in denen Probleme gelöst respektive Aktivitäten ausgeführt werden müssen – beispielsweise in den Bereichen «Bewegung und Mobilität» oder «Umgang mit Menschen». Dabei wird je nach Ausprägung der Behinderung des einzelnen Kindes die Beteiligungsmöglichkeit in diesen Lebensbereichen individuell definiert. Gemeinsam mit den Befähigungsbereichen und den erweiterten Fachbereichen bilden die Lebensbereiche so ein Konstrukt aus drei Ebenen, die alle zueinander in Beziehung gebracht werden und die Grundlage für die Gestaltung des Unterrichts bilden.
Verabschiedung im Mai
Um die breite Abstützung des Projekts im Schulfeld gewährleisten zu können, wurde der von der PH Zürich und der Hochschule für Heilpädagogik erarbeitete Entwurf Ende 2018 in einem Hearing von Vertreterinnen und Vertretern der Projektkantone, von Fachpersonen der Regel- und Sonderpädagogik aus der Schulpraxis und aus Hochschulen sowie von Vertretungen der Fachund Schulverbände diskutiert. Die anschliessende Überarbeitung nahm die dabei eingeflossenen Inputs auf. Die Verabschiedung ist für den kommenden Mai geplant. Anschliessend wird das Dokument den Projektkantonen zur Einführung in den Schulen übergeben.