Ton, Holz und Papier über die Sinne kennen lernen. Dieser Schwerpunkt steht im ersten Modul der Ausbildung Kunst und Design auf Kindergarten- und Unterstufe an der PH Zürich im Vordergrund. Zentral ist für die Dozentin Esther Noser, dass die Studierenden das Material selber in die Hände nehmen, den Umgang damit erproben und selbst gestalten, um ihr Fachwissen zu erweitern.
- Alle Bilder: Niklaus Spoerri
In der ersten Stunde wird an diesem Montagmorgen das im laufenden Modul erlangte Wissen abgefragt. Auf jedem Tisch liegt ein Schöggeli, ein oranges Papier und ein Bogen mit den Prüfungsfragen. Das Schöggeli ist fürs Gemüt und aus dem orangen Blatt muss eine Figur gefaltet werden. Im Test sollen eine Reihe von Fragen beantwortet werden, zum Beispiel: «Was ist Schlicker?» «Was bedeutet ‹kaschieren›?» «Benennen Sie die folgenden Werkzeuge». Neun Frauen und ein Mann beugen sich konzentriert über das weisse Blatt. 45 Minuten später sagt eine der Studentinnen zufrieden: «Ich denke, dass ich gut abgeschnitten habe.»
Geprüft wird Basiswissen über die Werkstoffe Holz, Papier und Ton. Diese Materialien haben die Studierenden an sechs Halbtagen in dem Modul nicht nur mit dem Lehrmittel kennengelernt, sondern auch sinnlich erfahren – deren Eigenschaften durch Formen, Sägen, Hämmern erlebt und gleichzeitig auch Möglichkeiten der Verarbeitung kennengelernt. Der Kunst- und Werklehrerin Esther Noser ist es wichtig, dass die Studierenden ihre «Kompetenz durch Selbermachen» erlangen können. Das kommt sehr gut an. Die Quereinsteigenden im ersten Semester, die den dreijährigen Studiengang Kindergarten sowie Kindergarten- und Unterstufe absolvieren, sind sich in der Rückschau einig: «Wir lernten viel, indem wir selber ausprobieren konnten und das Resultat auch beschrieben und reflektierten.»
Vor drei Wochen haben die Studierenden in einer kurzen Sequenz einen kleinen «Glücksbringer» und Daumenschalen aus Ton geformt. Unterdessen sind die unterschiedlich gestalteten kleinen Symbolträger trocken. Heute morgen werden sie gebrannt. Als Brennöfen dienen grosse Konservendosen. In diesen Büchsen sind am Boden und im unteren Viertel der Seitenwand viele Löcher eingeschlagen, damit die Luft zirkulieren kann. Mit den Kindern werden solche Experimente besser im Wald durchgeführt. Als Untergrund eignen sich Kies- oder Schotterboden. «Wie können die Kinder Löcher in die Büchsen schlagen?», fragt Esther Noser. Sie versucht stets einen praktischen Bezug zum Unterrichtsalltag herzustellen, Basiskompetenz und Fachdidaktik fliessend zu kombinieren.
Durch Ausprobieren Kompetenzen erlangen
Im aktuellen Experiment errichten die Studierenden die Feuerstelle auf einem der Balkone an der PH Zürich. Sie stellen die Büchsen auf die Stahlplatte des installierten Grills und zusätzlich auf drei kleine Schamottsteine. Die Blechdose wird schichtweise mit Holzkohle und den Tonobjekten gefüllt. Esther Noser lässt ihre reiche Erfahrung einfliessen. Die Holzkohlenstücke sollten nicht zu klein sein, die Figuren dürfen den Dosenrand nicht berühren, als Anzündhilfe hat sich in Wachs getränkte Holzwolle bewährt.
Während die Figuren zwei Stunden brennen und die Temperatur bis 900 Grad erreicht, versammelt sich die Klasse im Zimmer. Vor der nächsten Übung diskutiert Noser, wie die Zeit des Brennvorgangs mit den Kindern gestaltet werden kann. Anschliessend sitzen die Studierenden im Kreis, die Augen sind geschlossen. Die Dozentin lässt verschiedene Objekte von Hand zu Hand zirkulieren. Einzelne riechen an den unbekannten Gegenständen, andere betasten sie oder lassen sie auf die Tischplatte fallen, um durch den Klang die Eigenschaften zu erfahren.
Die Studierenden beginnen angeregt zu diskutieren, sammeln und ordnen ihre Eindrücke. Die Objekte sind alle rund, einige weich, andere hart und kalt, aber immer verschieden gross. Mit dabei ist eine kleine Styroporkugel. Styropor, ein weisser, geschäumter Kunststoff, ist das letzte Element, das die Klasse in diesem Modul kennenlernt. Es wird häufig als Verpackungsmaterial eingesetzt und kann gut zum Basteln verwendet werden. Es lässt sich leicht brechen oder mit einem heissen Draht zerschneiden. Es eignet sich als leicht zugängliches Recyclingmaterial gut für den Unterricht auf der Kindergarten- und Unterstufe. Eine Studentin versucht mit dem heissen Draht eine Schmetterlingsfigur auszuschneiden. «Es ist gar nicht so einfach», wundert sie sich. Man müsse sehr langsam und exakt arbeiten. Im Sinne der Dozentin ist ein Ziel erreicht: Kompetenz erlangen durch Ausprobieren und Erfahren.
Fokus auf gestalterische Prozesse
Esther Noser will ihren Studierenden keinen schablonenhaften Unterricht vermitteln. Im Gegensatz zu früheren didaktischen Konzepten des Textilen und technischen Gestaltens, die davon ausgingen, dass Kinder exakte Vorgaben brauchen, um zu einem Produkt zu gelangen, betonen heutige Lehrpläne den Bildungswert gestalterischer Prozesse. «Das Kind soll nicht die Ästhetik der Erwachsenen übernehmen. Es darf selber entdecken und eigene Ideen zur Lösung technischer Probleme oder zu Darstellungsweisen finden.» Im zweiten Semester werden die Studierenden im nachfolgenden Modul Konzepte der Unterrichtsplanung genauer kennenlernen.
Die Holzkohle ist verglüht, die Tonobjekte liegen sichtbar auf dem Boden der Konservenbüchse. Die Studierenden ergreifen mit der Grillzange die heissen «Glücksbringer» und legen sie behutsam zum Auskühlen auf eine Steinplatte. «Wunderbar! Keine einzige Figur ist gebrochen! Schauen Sie, wie sich die Farbe verändert hat!», freut sich Noser. Kompetenz vermitteln heisst auch die eigene Begeisterung am Thema zeigen.