Von der Addition bis zur Algebra

Eine gute Mathematikaufgabe zeichnet sich dadurch aus, dass sie zur vertieften Auseinandersetzung mit Zahlen und Zahlenverhältnissen auffordert. Die fol­genden Aufgaben für den Kindergarten, die Primarstufe und die Sekundarstufe I bie­ten Gelegenheit, eigene Lösungsstrategien zu entwickeln und zu verstehen, was mit Mathematik vermittelt werden kann.

Kindergarten Beispiel I
Aufgabe:
Zum Thema «Plus und Minus» wird ein Verkaufsspiel mit Nussstangen (mit Hilfe von Holzstangen) gespielt. Dazu wird die Klasse in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Kinder der einen Gruppe erhalten je zehn Nussstangen und richten dann einen Verkaufsstand ein. Die anderen Kinder sind Käuferinnen und Käufer. Sie gehen von Stand zu Stand und kaufen Nussstangen. Nach einem Verkaufsgespräch wird für jede Nussstange ein Handschlag als Bezahlung gegeben. Sobald ein Kind 10 Nussstangen eingekauft hat, wechselt es die Rolle und eröffnet einen Verkaufsstand.

Erklärung:
Bei diesem Spiel erleben die Kinder Veränderungen von Mengen: Die Menge der Nussstangen auf dem Verkaufstisch nimmt ab, während die Menge der Stangen der Kaufenden zunimmt. Diese Erfahrung bildet die Grundlage, um die Operationen Addition und Subtraktion verstehen zu können. Zudem erleben die Kinder den Begriff «gleich viel» konkret: Sie müssen gleich viele Handschläge geben, wie sie Stangen annehmen. Weil mit zehn Stangen gemäss Aufgabenstellung ein Verkaufsstand eingerichtet werden kann, müssen die Kinder laufend die Anzahl eingekaufter Stangen überprüfen und trainieren so das Zählen.

Kindergarten Beispiel II
Aufgabe:
Jedes Kind bekommt von der Kindergartenlehrperson einen Spiegel und experimentiert damit, indem es die unterschiedlichsten Gegenstände spiegelt.

Erklärung:
Die Kinder sammeln mit dem Spiel «Zaubereien mit dem Spiegel» Erfahrungen mit der Achsensymmetrie. Dabei entdecken die Kinder, dass das Origi­nal und das Spiegelbild zwar die gleiche Grösse und die gleiche Form haben, das Spiegelbild aber seitenverkehrt ist. Anschliessend zeichnen die Kindergartenkinder Bilder, welche sie mit Hilfe des Spiegels verändern. Besonders interessant sind dabei Bilder, die un­vollständig aussehen und sich mit dem Spiegel vervollständigen lassen.

 

Primarstufe
Aufgabe:
Für die Rechnung 270 : 30 entwickeln Kinder eigene Rechenstrategien, zeichnen diese in Hunderter-Punktefeldern ein und notieren die Lösungswege in Zahlen. Auf den nachfolgenden Bildern sind zwei mögliche Lösungswege aufgezeichnet: Im ersten Fall (a) zeichnet ein Kind 30er-Blöcke bis zur Grenze bei 270 ein (Rechenweg «9 · 30»). Im zweiten Fall (b) nähert es sich der Frage «Wie viel Mal passt 30 in 270 hinein?» über das Vielfache von 30 an. Es probiert erst, ob «3·30» reicht, wird mutiger und fügt «4 · 30» hinzu, und füllt zum Schluss mit «2 · 30» auf. (Rechenweg: 3 · 30 + 4 · 30 + 2 · 30 = 9 · 30) In beiden Fällen werden die Rechenwege schriftlich notiert.

Erklärung:
Die Arbeit mit Punktefeldern fördert das Verständnis der Division: Vorstellungen zur Grösse von Zahlen und Beziehungen zwischen Zahlen werden gefestigt. Zudem lernen die Kinder, die formale Darstellung mit einem inhaltlichen Verständnis zu verbinden. Die Aufgabe ermöglicht eine natürliche Differenzierung im Unterricht und bietet eine gute Grundlage für den Austausch über individuelle Rechenwege.

 

Sekundarstufe Beispiel 1
Aufgabe:
Je ein Term von rechts passt zu einer Sachsituation links. Die Schülerinnen und Schüler zeichnen Verbindungslinien zwi­schen den passenden Paaren ein.

Erklärung:
Beim Einstieg in die Algebra im 7. Schuljahr wird heute darauf geachtet, dass Schülerinnen und Schüler die Bedeutung von Variablen verstehen, bevor sie mit ihnen rechnen. Sie lernen, dass Sachverhalte nicht nur mit konkreten Zahlen beschrieben werden können, sondern auch allgemein mit Variablen. Mit der dargestellten Aufgabe üben sie, Sachsituationen in algebraische Terme zu übersetzen. Darauf aufbauend wird später mit Variablen gerechnet.

Sekundarstufe Beispiel 2
Aufgabe:
Die Schülerinnen und Schüler sollen in den nachfolgenden Gleichungen ein Muster finden. Nach ersten Versuchen alleine oder zu zweit werden im Plenum mögliche Strategien ausgetauscht. Ein möglicher Findungsweg könnte wie folgt ausfallen: In einem ersten Schritt erkennen die Schülerinnen und Schüler, dass bei den Zahlen rechts des Gleichheitszeichens Einer- und Zehnerziffer vertauscht sind. Sie suchen anschliessend nach eigenen Zahlenpaaren mit diesem Muster und finden Beispiele wie «12 · 63 = 21 · 36». In einer Austauschrunde diskutiert die Klasse mit der Lehrperson, wie nun systematisch vorgegangen werden könnte. Beispielsweise werden in Tabellen Serien von Produkten notiert und anschliessend geprüft, ob das Produkt mit vertauschten Ziffern gleich gross ist. In einem nächsten Schritt überlegt sich die Klasse, nach welchem Muster diese Zahlenpaare aufgebaut sein könnten. So zeigt sich, dass das Produkt der Zehnerziffern jeweils gleich gross ist wie das Produkt der Einerziffern (d.h. für «12 · 63» gilt «1 · 6 = 2 · 3» und für «21 · 36» gilt «2 · 3 = 1 · 6»). Die Übersetzung in einen algebraischen Termin bestätigt, dass diese Regel für alle Gleichungen gelten muss.

Erklärung:
Mit dieser Aufgabe wird das Problemlösen gefördert: Die Schülerinnen und Schüler sind herausgefordert, zuerst geeignete Vorgehensweisen zu finden und dabei verschiedene mathematische Tätigkeiten einzusetzen. Die Resultate der Berechnungen sollen anschliessend immer interpretiert werden: Was bedeuten sie?  Was lässt sich daraus folgern?