Teetrinken fördert das zielÂorientierte und strategische Denken. Davon ist Liang Rui, CEO von Shanghai Robotics, überzeugt. Er startet die wöchentlichen Management-Meetings mit seiner Führungscrew jeweils mit einer kurzen Teezeremonie. Dies wirkt sich positiv auf den Teamgeist aus und trägt zum langfristigen Erfolg der Firma bei, so seine Erfahrung.
Ich habe Liang Rui 2013 in Guangzhou kennengelernt. Er lud mich als «expatriate spouse» zum Chinese Morning Tea ein und führte mich in die Kunst des Teetrinkens als Führungsinstrument ein. Da ich begeisterte Teetrinkerin bin, nahm er mich auf den tea market mit, um mir die Wirkung der verschiedenen Tees zu erklären: Grüntee (绿茶 lÇœchá) und Oolong-Tee (乌龙茶 wÅ«lóngchá) eignen sich für Meetings zur Lagebesprechung. Schwarztee (红茶 hóngchá) für Entscheidungssituationen und Pu-Erh-Tee (普洱茶, pÇ”’Ä›r chá) zur Beruhigung und Besonnenheit in akuten Krisensituationen.
Tee hat in China eine grosse Tradition und war lange Zeit ein wichtiges Exportgut. Dabei ist der Tee-Export eng mit dem Konflikt mit dem Westen und den Opiumkriegen verbunden. Als die Engländer vor rund 200 Jahren die steigenden Teeimporte aus China nicht mehr mit Silbermünzen bezahlen konnten, betrieben sie um 1848 Industriespionage. Sie wählten einen lernfähigen schottischen Bauernsohn, Robert Fortune, der von der East India Company ins grosse Land gesandt wurde. Dort sollte er das Handwerk der chineÂsischen Teebauern erlernen und Teepflanzensetzlinge nach Indien schmuggeln. Nach einem ersten misslungenen Versuch gelang es ihm schliesslich, die Teepflanzen heil nach Indien zu bringen, wo  sie von den britischen KolonialÂherren im grossen Stil angepflanzt wurden.
Teetrinken ist trotz der Vorliebe der jüngeren Generation für Starbucks-Kaffee in Pappbechern in China heute noch in verschiedenen Lebensbereichen verbreitet – auch im Management. Liang Rui verkörpert die konfuzianische Tradition perfekt: Er vertritt ein hierarchisch-paternalistisches Führungsverständnis, das sich durch eine starke Beziehung zwischen Führung und Geführten auszeichnet. Bei Fragen äussert sich der Chef stets zuerst, danach bittet er die Mitarbeitenden, kurz Stellung zu nehmen. Man strebt nach Exzellenz, Harmonie und Verantwortung. Liang Rui nutzt die Teezeremonie ganz in diesem Sinne; er pflegt Beziehungen und motiviert seine Mitarbeitenden, möglichst viel zu den betrieblichen Zielen beizutragen.
Ich habe einiges von Liang Rui gelernt. Das hierarchisch-paternalistische Führungsverständnis entspricht zwar nicht meinem Verständnis – es ist ja auch ausschliesslich für Männer «gedacht» – , aber ich habe die Funktion des Teetrinkens verstanden. Wie Liang Rui mir gezeigt hat, hilft Teetrinken beim «downloading», «thinking» und beim «strategic planning». Es dient aber vor allem der Beziehungspflege. Daher ist das Teetrinken auch für die Führungskultur an Hochschulen wichtig. Ich nehme mir deshalb vor, künftig weniger «PPP- Meetings» zu veranstalten und mit meinen Mitarbeitenden mehr Tee zu trinken.