Der Experimentierkurs in «Natur und Technik» der PH Zürich stellt das praktische, naturwissenschaftliche Arbeiten ins Zentrum. Beim Präparieren von Tierorganen lernen Studierende der Sekundarstufe I zudem das Vermitteln eines lernwirksamen Erkenntnisprozesses. Ein Laborbesuch.
Es ist Freitagnachmittag und die Mittagspause soeben beendet. Langsam tröpfeln die Studentinnen und Studenten im Labor der PH Zürich ein. Während der nächsten Stunden werden die sechs Frauen und sechs Männer im Biologieteil des Experimentiermoduls in «Natur und Technik» praktisch Hand anlegen. Dozentin Judith Lanka hat Herzen, Augen, Lungen von Rindern und von Schweinen besorgt. Es gilt nun, diese Organe zu präparieren und Augen- beziehungsweise Lungenmodelle zu testen.
Der Kurs hat zum Ziel, die angehenden Sekundarlehrpersonen für schultaugliche Experimente im «Natur und Technik»-Unterricht an der Volksschule fit zu machen. Das Modul umfasst neben Biologie die Fächer Physik und Chemie. In einem weiteren Teil diskutieren die Studierenden fachdidaktische Studienergebnisse zum Experimentieren und lernen, wie sie daraus praktische Lerngelegenheiten schaffen können.
Mit Silikonhandschuhen und Sezierbesteck ans Werk
Als Einstieg zeigt Judith Lanka am Flipchart die Unterrichtsziele auf, gegliedert in Sach-, Methoden- und fachdidaktische Kompetenzen. Für Letztere steht das an der PH Zürich von den drei Modulverantwortlichen entwickelte Raster zur Vorbereitung eines Experiments zur Verfügung. «Mit diesem Raster zeigen wir den Studentinnen und Studenten auf, dass es nicht ausschliesslich um die praktische Handlung geht, sondern ebenso um die fachliche sowie die fachdidaktische Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer», sagt Judith Lanka.
Nach dem Kurzvortrag zweier Studenten über das Ohr und den Hörvorgang geht es handfest zur Sache. Die Klasse versammelt sich um den grossen Labortisch und inspiziert gemeinsam einen Schweinelungenblock samt Herz. Mit einem Glasstab sondiert Judith Lanka im Organ und fragt anschliessend in die Runde: «Wie heissen diese Röhren?» Anschliessend fasst eine Studentin den Auftrag, die Lunge mittels Schlauch mit Luft anzureichern. Das Organ schwillt bedrohlich an. Lanka: «Was passiert mit der Lungenfarbe?» Nach dieser Einführung ist es an den Studierenden, das Organ ihrer Wahl zu präparieren und sich mit Augen- oder Lungenmodellen zu beschäftigen. Mit Silikonhandschuhen und Sezierbesteck machen sie sich ans Werk.
Dem Experimentierkurs gehen im neuen und seit 2017 gültigen Curriculum während drei Semestern Fachkurse an der Universität Zürich voraus. Nach altem Modell fand der fachliche Unterricht nach der Fachdidaktik-Ausbildung statt. «Jetzt kommen die Studentinnen und Studenten erst nach Abschluss der Fachausbildung zu uns. Dies ist ein Vorteil, da sie nun mit den Fachinhalten noch besser vertraut sind», erklärt Judith Lanka.
Über den Zweck des Präparierens von Tierorganen sagt sie: «Es geht um das Erlernen naturwissenschaftlicher Arbeitsweisen und das Vermitteln von Erkenntnisprozessen.» Beim Präparieren könnten die Zusammenhänge zwischen Bau und Funktion von Organen gut herausgearbeitet werden. «Originalbegegnungen bleiben erfahrungsgemäss immer länger haften als der Unterricht mit Arbeitsblättern.»
Fettherz erschwert die Aufgabe
Die Studierenden David Leuthold und Pascal Gantner haben sich für die Präparation eines Rinderherzens entschieden. «Aus der Theorie wissen wir, wie wir diese Aufgabe mit den Schülerinnen und Schülern durchführen können», sagt Gantner, während er mit dem Skalpell vorsichtig den Herzbeutel entfernt. Die beiden Männer erkunden das Organ ganz ohne Berührungsängste, lokalisieren mit dem Glasstab Aorta und Lungenvenen. Die Dozentin tritt hinzu und stellt fest: Die Gefässansätze hätten die zwei nicht ganz wegschneiden dürfen, denn sie bieten Orientierung bei der Präparation. Einer anderen «Herzgruppe» stellt sie die Aufgabe, den Vorhof zu suchen. Die zwei Studentinnen drehen und wenden das Organ, sondieren mit dem Glasstab. Die Lokalisierung gelingt nicht. Biologin Lanka legt jetzt selber Hand an und stellt fest, dass Fettschichten die Arbeit erheblich erschweren. An einem anderen Tisch präparieren ein Mann und eine Frau ganz entspannt die Strukturen eines frischen sowie eines gefrorenen Rinderauges, derweil ein Frauenduo an zwei Augenmodellen der Funktionsweise von Kurz-, Langsichtigkeit und dem Brennpunkt auf der Spur ist. Es wird konzentriert gearbeitet und hin und wieder auch gelacht und gescherzt. Die Erkenntnisse haben die Studierenden im persönlichen Laborjournal festgehalten.
«Stellen Sie eine kognitiv aktivierende Frage»
Die letzte Unterrichtsstunde bricht an, die Studentinnen und Studenten stellen ihre Erkenntnisse vor. Immer wieder streut Judith Lanka Fragen ein, gibt hilfreiche Tipps und nimmt dabei Bezug zu deren künftigen Rolle als Sekundar-Lehrpersonen: «Welches Augenmodell würden Sie anschaffen und warum?» Die Herzpräparatoren David Leuthold und Pascal Gantner fragt sie: «Stellen Sie uns eine kognitiv aktivierende Frage, wie Sie sie den Schülerinnen und Schülern stellen würden.» Oder, an andere gerichtet: «Was war schwierig bei der Präparation? Wie war es, das Auge aufzuschneiden? Wie viel Vorwissen muss vorhanden sein, um eine gute Erkundungsarbeit zu erzielen?»
Es geht dem Unterrichtsende zu, die Arbeitsplätze werden aufgeräumt. Dozentin Judith Lanka ist sichtlich zufrieden: «Ich denke, der Experimentierkurs ist eines der beliebtesten Module an der PH Zürich, weil die Studentinnen und Studenten praktisch arbeiten dürfen. Zudem sind sie dankbar, dass wir ihnen hier zeigen, was später im Unterricht an der Volksschule gut funktionieren wird.»