
Anna Siegrist-Ronzani, Primarlehrerin in der Schule Aussersihl
Unter dem Begriff «Chancen» verstehe ich primär Möglichkeiten, Gelegenheiten oder auch Glücksfälle, die sich im Laufe unseres Lebens ergeben oder einem «zufallen». Da ich selbst Migrationshintergrund habe und von engagierten Lehrerinnen und Lehrern gefördert wurde, weiss ich, wie wichtig, ja sogar entscheidend die Einstellung und Haltung von Lehrpersonen sein können. Als Klassenlehrperson in einer QUIMS-Schule in der Stadt Zürich organisiere und strukturiere ich meinen Unterricht so, dass meinen Schülerinnen und Schülern jene Möglichkeiten und Gelegenheiten «zufallen», die sie in ihrem Lernprozess optimal stützen und fördern. Dazu gehört meines Erachtens unbedingt ein sprachsensibler Unterricht, und zwar nicht nur im Fach Deutsch, sondern genauso in den anderen Schulfächern. Diesem widme ich – auch dank meiner Zusatzausbildung in «Deutsch als Zweitsprache» – ganz besondere Aufmerksamkeit. Denn aufgrund meiner eigenen persönlichen und schulischen Biographie weiss ich, wie zentral die Sprache für den Schulerfolg der Kinder und Jugendlichen ist. Chancengleichheit mag vielleicht weitgehend eine Illusion bleiben, aber man kann sich ihr auf jeden Fall annähern, davon bin ich überzeugt.

Susanne Meier Leuenberger, Kooperationsschulleiterin an der PH Zürich und Primarlehrerin
Je älter ich werde, sei es als Pädagogin oder als Mutter, desto mehr wird mir bewusst, wie schwierig diese berechtigte Forderung an die Volksschule umzusetzen ist. Klar kenne ich die Tricks der Binnendifferenzierung, arbeite mit offenen Lernaufgaben, stärke die Stärken jedes und jeder Einzelnen mit dem persönlichen Stärkenportfolio, lasse die Schülerinnen und Schüler kooperativ arbeiten, so dass sie auch voneinander lernen können, und gebe differenzierende Hausaufgaben, weil ich weiss, dass zuhause nicht alle Kinder Unterstützung bekommen. Auch meine Unterrichtsmethoden wechsle ich sorgfältig ab, um möglichst alle Lerntypen zu berücksichtigen. So läuft es bei mir einigermassen gut. Ich weiss, dass ich mein Möglichstes als Pädagogin tue. Das Ziel «Chancen für alle!» – ohne den Zusatz «gleiche» – ist jedoch realistischer. Die Herausforderung bleibt so weiterhin anspruchsvoll, jedoch wird der Umstand, dass wir Menschen höchst individuelle Wesen sind, besser berücksichtigt.

Esther Schuster, Schulische Heilpädagogin an der Heilpädagogischen Schule der Stadt Zürich
Ganz einfach: Das schaffe ich nicht! «Gleiche Chancen für alle» mag in meiner Arbeit als schulische Heilpädagogin zwar ein Fernziel sein, doch erfordert es eine unermüdliche Zusammenarbeit aller beteiligten Personen. In meiner Arbeit unterstütze ich Schülerinnen und Schüler der Heilpädagogischen Schule, die integrativ die Regelschule besuchen, in ihrem sozialen, emotionalen und schulischen Lernen. Die Kooperation sämtlicher Menschen ihres Umfeldes – der Lehrpersonen, Klassenkameraden, Eltern, Therapeuten und Schulleitenden sowie der Schülerin beziehungsweise des Schülers selber – ist dabei unablässig. Gemeinsam versuchen wir, den Kindern und Jugendlichen möglichst gute Chancen in ihrem aktuellen und zukünftigen Leben zu ermöglichen. Wir bauen zusammen etwas auf und hoffen, dass die Kinder durch unsere Arbeit bessere Möglichkeiten im späteren (Berufs-)Leben erhalten. Doch «bessere Chancen» sind halt tatsächlich nicht «gleiche Chancen».