Haben Sie Ihren Frisör schon mal gefragt, ob er Ihnen die Pfeffermühle bringen könne? Oder haben Sie sich bei Lernenden in einem Unterrichtsraum schon mal erkundigt, ob Sie mit Karte zahlen dürfen? Wohl kaum. Man würde Sie als geistig umnachtet bezeichnen. Die Tutorinnen und Tutoren des Schreibzentrums der PH Zürich tun dies manchmal mit vollem Bewusstsein. Sie irritieren Studentinnen und Studenten, die in die Schreibberatung kommen mit queren Fragen, sofern es die Situation verlangt. Etwa: Wie würdest du den Textaufbau deinem Wellensittich erklären? Schreibst du eher wie eine Abenteurerin oder wie ein Eichhörnchen? Wenn es beim Denken und Schreiben klemmt, entfalten Irritationen ihre Wirkung. Schiefliegende Fragen sind eine von vielen Methoden, die Denkblockaden lösen und einen neuen Zugang zum Text ermöglichen. Ein Schreibproblem erscheint in neuem Licht.
Die Kunst des Fragens will gelernt sein. Nicht nur in Beratungssituationen. Ob eine Frage nun angemessen ist oder nicht: Fragen sind Kern menschlicher Kommunikation. Sie eröffnen Gespräche (Wie geht’s?), verändern Leben (Liebst du mich?) und einige Fragen leben ewig (Wie hast du es mit der Religion?). Ein Gespräch ohne Fragen ist wie alleine sein zu zweit. Manche zeitmüden Kulturpessimisten vermuten, dass das Fragen nicht mehr den selben Stellenwert geniesst wie etwa zu Sokrates’ Zeiten. Aufgrund allgegenwärtiger Bewertungsbuttons, Kommentarfunktionen und Trillerpfeifen schiessen Meinungen wie Pilze aus dem Boden und lassen das Fragen in den Hintergrund rücken.
Um dem Handwerk der Fragerei etwas Aufwind zu verleihen, nachstehend Anregungen für lustvolles Nachbohren in verschiedenen Lebenslagen – abgekupfert von zwei Meistern dieses Fachs: Max Frisch (Fragebogen) und Rolf Dobelli (Fragen an das Leben).
Für den Arbeitsplatz, als Vorgesetzte/r oder Mitarbeiter/in: Inwiefern sind Sie der äussere Schweinehund Ihres inneren Schweinehundes? Würden Personen, die bedeutend intelligenter sind als Sie, Sie einstellen? Würden Sie Ihr Gewissen eher als Freund oder als Gegner bezeichnen?
Fürs Date: Was hast du anderen öfter geraten: a) dass sie sich trennen? b) dass sie sich nicht trennen? Würdest du dein/e Partner/in sein wollen? Überzeugt dich deine Selbstkritik? Gibt es einen Menschen, mit dem du dein Leben tauschen möchtest – unter der Bedingung, dass du alles Positive und Negative dieses Menschen übernimmst? Falls nicht, wie erklärst du dir, dass du nicht vor Glückseligkeit strotzt? Welche Probleme löst eine Ehe?
Für Rückfragen an Ihren Computer: Ok oder Abbrechen – Welche Antwort würde dich mehr entzücken? Ist es dir schon gelungen, mich kennenzulernen? Wie steht es aus der Perspektive deiner Bildschirmkamera um meine innere Balance?
Nicht jede Unterhaltung braucht Fragen. Es muss auch nicht aus jedem Geplauder ein philosophischer Dialog entstehen. Und das ist gut so. Doch wenn einem beim Gespräch (mal wieder) ein Monolog entgegenplätschert, sind ein paar beissende Fragen angebracht. Ansonsten erfährt nie jemand etwas von Belang. Noch Fragen?