Eher zufällig rutschte ich nach der Matur in ein Musikstudium. Hätte mir jemand prophezeit, dass ich im Alter von 55 Jahren Primarlehrer sein würde, ich hätte nicht daran geglaubt. An der Uni erforschte ich nach der Ausbildung zum Musiklehrer in einem zweiten Studium universale Sprachstrukturen: Wie kommt es, dass wir Menschen als einzige Lebewesen sprechen können? Weshalb kann sich jedes Baby jede beliebige Sprache mühelos aneignen? Ein Baby kam und verhinderte, dass ich mich weiter um solche Fragen kümmern konnte: Neben dem Geldverdienen war nun Kinderbetreuung angesagt. Meine folgende Laufbahn richtete sich nach den Möglichkeiten, mit musikpädagogischer Teilzeitarbeit über die Runden zu kommen und weiter auch Familienarbeit zu leisten. Irgendwann war die Familienphase abgeschlossen, etwas Neues konnte in Angriff genommen werden: Heute beobachte ich, wie Kinder Schriftlichkeit erlangen und sich mathematische Grundlagen erarbeiten. Das finde ich spannend. Vor allem aber versuche ich, jedes Kind darin zu unterstützen, zu einem selbstbewussten und frohen jungen Menschen heranzuwachsen. Hätte ich meine Laufbahn geplant und durchgetaktet, stünde ich nicht an dieser Stelle. Sie verschafft mir mehr Befriedigung, als ich es mir vor Jahrzehnten hätte vorstellen können.
Planung klingt nach einem gezielten Vorhaben. So schaut meine Laufbahn nicht aus. Nach Abschluss der Ausbildung zur Lehrerin wusste ich nur, dass ich mich mit damals knapp 20 Jahren noch nicht reif fühlte, die Verantwortung für eine Klasse zu übernehmen. Ein Zwischenjahr in Tanzania weckte meine Neugier auf andere Kulturen, was mich zum Studium der Ethnologie führte – ohne genau zu wissen, was dieses beinhalten würde. Eine etwas naive Entscheidungsgrundlage vielleicht, aber im Rückblick eine wichtige Weichenstellung. Die bosnische Flüchtlingskrise der 1990er-Jahre weckte dann mein Interesse, Migrations- und Bildungsfragen vertieft zu bearbeiten. Diese Forschungen sind noch heute Basis für meine Tätigkeiten. Wichtig waren aber auch Begegnungen mit Menschen, die mich förderten. Mir gefällt das Brecht’sche Zitat, wenn es ums Planen geht: «Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein grosses Licht! Und mach dann noch n’en zweiten Plan, gehn tun sie beide nicht.»
Ich lebe und arbeite mit vollem Engagement im Hier und Jetzt. Das war schon immer so. Mein beruflicher Werdegang ist seit jeher interessengesteuert mit Fokus auf einer sinnhaften und herausfordernden Tätigkeit. Mein Streben nach persönlicher Entwicklung ist ebenso wichtig. Als junger Lehrer habe ich mich intensiv mit reformpädagogischen Anliegen auseinandergesetzt, mich für einen positiven Einsatz der sogenannt neuen Medien im Unterricht stark gemacht und mich in Führungsaufgaben engagiert. In diesen und anderen Bereichen brennt mein Feuer seit Jahren. In Weiterbildungen und Studien habe ich mich weiterentwickelt, was auch zu neuen Tätigkeiten geführt hat: Lehrer, ICT-Supporter, Kursleiter, Berater, Dozent und Bereichsleiter an der PH Zürich. Nach 10 Jahren an der Pädagogischen Hochschule Zürich hat mich mein Interesse zurück in die Schule gebracht. Ist das Teil einer Laufbahn-Planung? Nein, es ist eine für mich folgerichtige Entwicklung.