Wer sich ärgert, schadet sich selbst. Nach dieser hehren Devise versuche ich – oft vergeblich – zu leben. Im besten Fall gibt mir der Ärger die nötige Energie, etwas zu ändern, was mich stört. Im Alltag sind das zum Beispiel technische Pannen. Zum Glück haben wir effiziente Techniker im Haus. Unsolidarische Kollegen gehen mir schon eher auf den Keks, sei es, weil sie vom Stau im Fotokopierer weglaufen oder sich weigern, der Lehrergewerkschaft beizutreten. Dass Schülerinnen und Schüler stören, Hausaufgaben nicht machen oder zu spät kommen, gehört wohl zum Berufsrisiko. Zum Ärger kommt es, wenn sie mir ein X für ein U vormachen wollen. Weniger Verständnis habe ich für diejenigen Eltern, die jede Fehlleistung ihrer Sprösslinge in eine Attacke gegen die Schule ummünzen. Was mir aber wirklich sauer aufstösst und Angst macht für die Zukunft unserer Bildung, das ist der unbedarfte und gedankenlose Vergleich von Lehrpersonen mit Managern. Wir müssen zwar Managerqualitäten aufweisen, wenn es ums Organisieren und Planen geht. Wir sind aber kein gewinnorientiertes Unternehmen, und Lernen ist nun mal – wie die Liebe übrigens – ein Kind der Freiheit. Dass Lernen «machbar» und wir Lehrer und Lehrerinnen damit auch messbar und quantifizierbar sind, halte ich für eine Sünde wider den heiligen Geist der Bildung.
Ich liebe meinen Beruf. Leider steigen viele Lehrpersonen aus, denn der Lehrberuf hat in der Gesellschaft einen geringen Stellenwert. Autoritäten werden heute mehr hinterfragt als früher, das ist auch gut so. Aber mich stört die häufige Pauschalverurteilung unseres Berufsstandes. Alle haben eine Meinung zur Schule. Jeder fühlt sich als Experte. Einzelfälle werden generalisiert. Die Schule muss abfedern, was in der Gesellschaft nicht optimal läuft. Die Erwartungen an die Schule sind enorm hoch und dementsprechend auch die Gefahr der Enttäuschung. Diese Entwicklung demotiviert. Denn sie birgt die Gefahr, dass fähige Lehrkräfte weiterhin abspringen. Gleichzeitig ist es als Lehrperson und Schulleitung wichtig zu akzeptieren, dass die Schule ein Brennpunkt ist, in dem sich soziale und politische Probleme manifestieren. Aber wir brauchen auch Vertrauen und Wertschätzung. Eine starke Volksschule baut auf fähige Lehrpersonen – und den Rückhalt der Gesellschaft.
Sie sollen ruhig und konzentriert arbeiten. Sie sollen in Gruppen Lösungen entwickeln. In der Realität aber arbeite ich mit 25 bis 30 Kindern in einem Zimmer, welches eigentlich für 20 Schüler konzipiert ist. Das Resultat: Die Enge bringt Unruhe und fördert Streit. An Gruppenarbeiten ist kaum zu denken. Es sind solche Situationen, die mich in den 26 Jahren als Lehrer am meisten ärgern. Situationen, in denen das Wohl des Kindes vergessen geht; in denen Entscheidungen gefällt werden, weil sie politisch oder wirtschaftlich opportun sind. Oder – so viel Selbstkritik muss sein – weil sie für uns Lehrer weniger Aufwand bedeuten. Etwa wenn wir kein Lager durchführen. Kinder haben keine Lobby. Deshalb müssen wir Lehrpersonen, Schulpfleger und Bildungspolitikerinnen immer wieder versuchen, deren Perspektive einzunehmen. Ansonsten verkommt der Satz «zum Wohle des Kindes» zu einer leeren Worthülse. Zu einem unerfüllten Versprechen.