Quirin Rusch ist einer der besten Nachwuchs-Schwimmer der Schweiz. Damit er seinen Sport ausüben kann, nimmt er einiges auf sich – zum Beispiel drei Stunden pendeln.
- Nachwuchsschwimmer Quirin Rusch. Alle Fotos: Quirin Rusch
- Frühstück ist Pflicht.
- Von Rieden SG nach Zürich.
- Der Bus als eines von zahlreichen Transportmitteln.
- 4 Minuten Umsteigezeit.
- Training im Hallenbad Bläsi
Er ist 13-facher Jugend-Schweizermeister, eine grosse Hoffnung des hiesigen Schwimmsports, doch wenn am Morgen früh der Alarm losgeht, ist Quirin Rusch einfach ein 14-jähriger Junge – und schickt den Wecker mindestens drei Mal in die «Snooze»-Schlaufe.
Um 5:25 Uhr ist er an diesem Donnerstagmorgen dann spät dran, zum Glück muss er nicht duschen («ich bin jeden Wochentag mindestens einmal im Schwimmbecken»), aber das Frühstück ist Pflicht («ich brauche genügend Kalorien»). Dann, um 6 Uhr springt er beim Vater ins Auto, und die tägliche Odyssee beginnt. Quirin meint trocken: «Ist halt so.»
Los geht’s: Der Vater fährt Quirin von Rieden SG – ein Dorf mit knapp 700 Einwohnern und einer wunderschönen Aussicht auf die Linthebene und den Zürichsee – hinunter an den Bahnhof in Uznach. Dort läuft respektive rennt Quirin auf Gleis 2 und springt in die S6. Platz nehmen, Ohrstöpsel rein, Playlist anklicken – und drei Songs später kommt er bereits in Rapperswil an. Dort ist wieder Speed gefragt: Drei Minuten später fährt die S5 ab, auf der anderen Seite der Unterführung.
Wieder im Zug, wieder ein Platz ergattert («Im Doppelstock sitze ich lieber oben»), doch viel Zeit bleibt auch hier nicht, die Fahrt dauert nur 14 Minuten. Was tun? «Ich versuche, etwas für die Schule fertig zu machen, oder vertreibe mir die Zeit auf Social Media.» Auf welcher Plattform? «Zählt WhatsApp auch dazu, kommt das an erster Stelle. Dann Snap, dann Instagram und zuletzt Facebook, das nutze ich relativ selten.» Twitter hat Quirin auch schon probiert, es hat sich ihm aber nicht erschlossen. Genauso wenig wie das Gamen: «Habe keine Geduld dafür, weder auf dem Handy noch zuhause an der Konsole. Sport ist für mich etwas Physisches, nichts Virtuelles.»
Das beste Schwimmbad steht in Luxemburg
Nächster Stopp: Wetzikon, vier Minuten Zeit zum Umsteigen, die S14 fährt gleich auf dem Gleis daneben. Es ist unglaublich, wie viele Verbindungen Quirin kennt, fast jeden Wochentag muss er einen anderen Hin- und Rückweg nehmen, je nach Tagesprogramm. Ohne zu stocken, rattert er Haltestellen, Ankunfts- und Abfahrtzeiten herunter. Quirin lachend: «Du kannst mir auch ‹Kursbuch› sagen.»
7:11 Uhr, Ankunft in Zürich Oerlikon, der Bahnhof ist überfüllt mit Pendlerinnen und Pendlern. Quirin kämpft sich durch die Menschenmassen zur Bushaltestelle, der Bus bringt ihn zum nahgelegenen Hallenbad Oerlikon, wo das Training um 7:30 Uhr beginnt. «Es ist mein Lieblingshallenbad in der Schweiz, es hat acht Bahnen. Das beste Schwimmbad, wo ich je geschwommen bin, ist in Luxemburg und heisst d’Coque. Es hat 15 Bahnen auf zwei Stockwerken.» Auch das Wasser sei übrigens nicht überall gleich: «Es fühlt sich manchmal einfach besser an und manchmal schlechter.»
42 Kilometer pro Woche
Quirin trainiert fast wie ein Profi. Sieben Mal die Woche ist er im Wasser. Pro Training spult er circa sechs Kilometer ab, er schwimmt also jede Woche eine Marathon-Strecke (42 Kilometer). «Ich schwimme alles», sagt Quirin, «alle Längen, alle Disziplinen. Momentan mag ich Crawl am besten, aber das ändert ständig – Rücken und Delphin waren auch schon meine Lieblingsdisziplinen.» Aber da fehlt doch etwas. Was ist mit Brust? «Das schwimme ich gar nicht – Brust ist wie ein anderer Sport. Auch die Profis wie Phelps oder Thorpe können das nicht richtig. Brust muss man ganz anders trainieren, dazu fehlt mir die Technik.»
Um 9:30 Uhr ist das Training fertig. Quirin nimmt den Bus nach Sternen Oerlikon, wo er umsteigt, um mit dem sechsten Transportmittel (Auto, Zug, Zug, Bus, Bus, Bus) endlich in die Schule am Max-Bill-Platz in Oerlikon zu gelangen. Quirin besucht die zweite Sekundarschule der «Kunst- und Sportschule Zürich» (K&S), eine GesamtÂoberstufe für besonders begabte Schülerinnen und Schüler. Die K&S ermöglicht individualisierte Lernpläne und damit das grosse Schwimmpensum neben der Schule.
«Es muss Spass machen»
Bezüglich der Zukunft macht sich der 14-Jährige keine Illusionen: «Ich werde kaum vom Schwimmsport leben können. Ich probiere, in das Gymnasium zu kommen, später möchte ich Pädagogik studieren.» Quirin ist natürlich ehrgeizig – «ich möchte schon einmal an den olympischen Spielen teilnehmen» – , aber er ist nicht verbissen: «Es muss mir zuallererst Spass machen, sonst geht gar nichts.»
Später wird Quirin noch im Schwimmbad Bläsi in Höngg trainieren, dann, um 19 Uhr, macht er sich auf den Heimweg. Und etwa um 20:45 Uhr ist er wieder zurück in Rieden, knapp 13 Stunden nachdem er im Morgengrauen aufgebrochen ist. Über drei Stunden hat Quirin an diesem Donnerstag mit Reisen verbracht. Dazu sagt er: «Man gewöhnt sich schnell daran. Früher, als ich noch nicht in Zürich in die Schule ging, war es noch viel komplizierter.»