«América» (im Original «The tortilla curtain») lässt den Leser in zwei ganz verschiedene Welten eintauchen: einerseits in jene des kulturell und ökonomisch privilegierten US-Amerikaners Delaney Mossbacher und andererseits in jene des mexikanischen Migranten Cándido. Jeder hat auf seine Art mit dem Leben zu kämpfen. Gleich zu Beginn kreuzen sich die Wege der beiden Protagonisten auf dramatischste Weise – in einem Tal in Kalifornien. Von Anfang an gelingt es Boyle, den Leser mit seinen extremen Seitenwechseln in den Bann zu ziehen, und man fühlt sich privilegiert, an beiden Lebenswelten teilhaben zu können, eine und dieselbe Szene aus Sicht des US-Amerikaners und des Mexikaners erzählt zu bekommen. So wird Empathie für beide Protagonisten möglich – und man wünscht sich ähnliche Perspektivenwechsel für das eigene Leben. Angesichts der Lage an der Grenze zwischen den USA und Mexiko und der Wahl des neuen amerikanischen Präsidenten ist dieser Romanstoff hochaktuell.
Tortilla-Graben
T.C. Boyle. América. München: dtv, 1995. 389 Seiten.