Eine Frage, drei Antworten: Was ist guter Unterricht?

Corinna Nüesch, wissenschaftliche Mitarbeiterin im VSA.

Corinna Nüesch, wissenschaftliche Mitarbeiterin im VSA.

Voraussetzung für einen lernwirksamen Unterricht ist ein Klima, welches durch Respekt, Wertschätzung und Vertrauen gekennzeichnet ist. Lernwirksamer Unterricht traut den Schülerinnen und Schülern viel zu. Er orientiert sich an Begabungen, Potenzialen und Vorkenntnissen der Schülerinnen und Schüler und bietet die Möglichkeit, diese auszuschöpfen und weiterzuentwickeln. Dabei sollen sich die Schülerinnen und Schüler wahrgenommen fühlen und als selbstwirksam erleben können. Die Aufgabe der Lehrpersonen ist es, die dazu geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu gehört eine strukturierte und störungspräventive Klassenführung, welche es den Lehrpersonen ermöglicht, flexibel auf unterschiedliche Situationen reagieren zu können. Ebenso wichtig ist, dass sich die Lehrpersonen bemühen, eine Lernumgebung zu bereiten, in welcher die emotionale Seite des Lernens sowie die Bedürfnisse nach Autonomie, sozialer Eingebundenheit und Kompetenzerleben befriedigt werden. In einem guten Unterricht gelingt es den Lehrerinnen und Lehrern, die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler zu aktivieren, initiieren und modellieren. Sie pflegen dabei einen progressiven Umgang mit Fehlern, vertrauen auf die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler und haben die Bereitschaft, sich jeden Tag in jeder Stunde überraschen zu lassen. Im Zentrum guten Unterrichts steht somit die gute Lehrperson.

 

Sandra Major, Primarlehrerin in Schwamendingen.

Sandra Major, Primarlehrerin in Schwamendingen.

Meiner Meinung nach ist die Grundlage für einen guten Unterricht die Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern. Ich als Lehrerin nehme sie nicht nur als Lernende wahr, sondern begegne ihnen als eigenständige Menschen und setze mich intensiv mit jedem Kind auseinander. Nur so kann ich eine passende Lernatmosphäre schaffen und den Unterricht entsprechend gestalten. Dabei zeige ich klar meine positiven Erwartungen an die Kinder. Ich weiss, was sie können und fordere dies auch ein. Dazu kommt die Qualität der Unterrichtsgestaltung: Ich muss Lernziele festlegen, entsprechende Lernsituationen vorbereiten, bei der Durchführung präsent sein und motivierend unterstützen. Die Kinder lernen alleine, aber auch miteinander. In meinem Unterricht sind eigene Lösungswege, aber auch Fehler erwünscht. Dies ist zentral fürs Lernen. Dabei sehe ich meine Rolle in der Begleitung der Lernprozesse und als Hüterin des Fachwissens.

 

Ueli Hirt, Dozent für Mathematikdidaktik an der PH Zürich.

Ueli Hirt, Dozent für Mathematikdidaktik an der PH Zürich.

Im guten Unterricht bearbeiten Lernende interessante Inhalte und reichhaltige Aufgaben mit hohen, aber erreichbaren Anforderungen. Sie werden differenziert gefördert – mit Klarheit, Zutrauen, Unterstützung und Wertschätzung. Guter Unterricht heisst auch, Lernende und ihr Lernen verstehen – dieser wohl höchste Anspruch wird erfüllt vor allem bei der individuellen fachlichen Begleitung, weil dabei die gute Beziehung, eine geförderte Eigenständigkeit, die gelingende Klassenführung und Feedback zusammentreffen. Im guten Unterricht wissen die Lernenden, was gilt. Gleichzeitig erfahren sie Autonomie, Zufriedenheit und Gemeinschaft im unterstützenden Lernklima. Guter Unterricht ist mehr als gut unterrichten. Er beginnt im Kleinen, beispielsweise beim Begrüssen. Für die Lehrperson ist klar, dass guter Unterricht nie ganz gelingt und doch stets von neuem anzustreben ist – mit Zuversicht, Gelassenheit, Freude und Humor. Guter Unterricht bedingt ein Umfeld, in dem Lehrpersonen gesund bleiben.