Die Kompetenzorientierung ist im Zusammenhang mit der Diskussion um den Lehrplan 21 in aller Munde. Wissenschaftlich erforscht wurde das Thema bis anhin jedoch nur wenig, stellt Sandra Anita Zenger in ihrer Masterarbeit «Eine Untersuchung zum Effekt kompetenzorientierten Unterrichts in der Chemie» fest. Doch damit theoretische und politische Ideen ihren Weg in die schulische Praxis finden können, müssen zuerst die Rahmenbedingungen und der Nutzen einer Umsetzung geklärt werden, ist sie überzeugt und schreibt weiter: «Daher macht es Sinn, sich als angehende Lehrperson sowohl mit der Bedeutung, aber auch der Relevanz einer Kompetenzorientierung im Unterricht auseinander-zusetzen.»
Sandra Anita Zenger befasste sich deshalb mit der Frage: «Führt ein kompetenzorientierter Unterricht bei der Schülerschaft zu einer sichtbaren Kompetenzsteigerung ohne dabei die kognitiven Fähigkeiten messbar negativ zu beeinflussen?» Zur Untersuchung führte sie ein Experiment mit 58 Jugendlichen der zweiten Sekundarstufe A durch. Während dreier Wochen wurde eine der insgesamt drei Schulklassen herkömmlich (Kontrollgruppe) und die zwei anderen Klassen (Versuchsgruppen) kompetenzorientiert in Chemie unterrichtet. Die Schülerinnen und Schüler der Kontrollgruppe musste also beispielsweise den Begriff «Eigenschaften» definieren, während jene der Versuchsgruppen angehalten wurden, nach Stoffeigenschaften zu fragen. Die kognitiven Inhalte wurden in allen Klassen gleich gestaltet.
Am Ende der drei Wochen fanden zwei Prüfungen statt. Die eine befasste sich mit den fachlichen Inhalten, die andere testete die Kompetenzfähigkeiten der Schülerinnen und Schüler. Dabei zeigte sich: In der kognitiven Leistungsprüfung unterschieden sich die Forschungsgruppen nicht signifikant voneinander. Auch die Werte des Kompetenztests wiesen keinen signifikanten Unterschied auf. Jedoch zeigte sich eine leichte Tendenz hin zur Kompetenzsteigerung der Versuchsgruppe. «Aus dieser Tendenz lässt sich ein minimaler Effekt des kompetenzorientierten Unterrichts ableiten», folgert Sandra Anita Zenger. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) im Lehrplan 21, wonach zum Aufbau von Kompetenzen eine langfristige und kontinuierliche Bearbeitung nötig ist, konstatiert sie zudem: «Bei einer längeren und vertieften Bearbeitung in den Lektionen würden sich die Werte unter Umständen […] signifikant unterscheiden.»
Pitt Hild, Dozent an der PH Zürich und Betreuer der Masterarbeit, ist überzeugt, dass es Sandra Anita Zenger gelungen ist, mit ihrer Arbeit «aus dem Panoptikum rund um den Kompetenzbegriff auszubrechen. Zudem hat die Studentin es verstanden, kompetenzorientierten Unterricht nicht mit gutem Unterricht gleichzusetzen», sagt er und hält fest: «Kompetenzorientierter Unterricht muss nicht gut und guter Unterricht nicht kompetenzorientiert sein.»