Wenn ich an den Prozess meiner Berufswahl denke, dann muss ich heute noch schmunzeln. So prognostizierte mir der Berufsauswahltest eines angesehenen deutschen Institutes damals eine Zukunft als Töpferin, weil ich unter anderem angegeben hatte, mich für Kunst zu interessieren.
Konträr zum Testergebnis setzte sich dann allerdings nicht mein künstlerisches Talent, sondern mein Interesse am Fachbereich der Wirtschaftswissenschaften durch.
Wie für mich damals, so stellt auch heute der Berufsauswahlprozess viele Jugendliche vor die Problematik, den richtigen Beruf für die eigenen Talente und Neigungen auszuwählen. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Wahl des Berufes nicht rein zufällig erfolgt, sondern es bekanntermassen einen wesentlichen Einflussfaktor auf den Berufswahlprozess der Jugendlichen gibt – das Elternhaus.
Dass diese Entscheidung trotz des elterlichen Einflusses schwierig ist und der Übergang von obligatorischer Schulzeit in die Sekundarstufe II nicht immer erfolgreich verläuft, belegt unter anderem der aktuelle Schweizer Bildungsbericht. Demnach wählen rund 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler nach Abschluss der Sekundarstufe I eine Zwischenlösung, welche dem Bildungswesen zugerechnet wird. Gemeint sind damit zum Beispiel das 10. Schuljahr oder eine Vorlehre.
Heute beschäftigen mich Übergänge sowohl im Rahmen der Berufsbildungsforschung wie auch in meinem beruflichen Alltag als Berufsfachschullehrperson. Wenn ich meine Schülerinnen und Schüler in der Vorlehre sowie im Detailhandel nach ihrem Berufswunsch beziehungsweise nach ihrer Berufswahl frage, dann bekomme ich oft die Antwort «keine Ahnung» oder ich höre, dass ihre Eltern noch jemanden kannten, der jemand kannte, der einen Auszubildenden oder eine Auszubildende suchte. Viele meiner Schülerinnen und Schüler haben sich, wenn überhaupt, nur einmal «richtig» beworben. Wenn ich sie dann frage, ob «Detailhandelsfachfrau/-mann EFZ» ihr Traumberuf ist, dann höre ich immer wieder, dass sie erst einmal eine Lehre machen und dann ihr Leben geniessen wollen. Das mit dem Traumberuf käme erst später.
Zugegeben, diese lockere Einstellung in Bezug auf die eigene Berufswahl und die ausgeübte Tätigkeit ist für mich recht schwer nachzuvollziehen, da ich mich im Zusammenhang mit meiner
Berufswahl an viele schlaflose Nächte erinnern kann. Vielleicht liegt die Einstellung meiner Schülerinnen und Schüler aber auch darin begründet, dass diese einfach ein grosses Vertrauen in das schweizerische Berufsbildungssystem haben. Denn hier gilt ja bekanntlich: kein Abschluss ohne Anschluss.
Wenn ich ehrlich bin, waren meine Eltern an meiner beruflichen Entscheidung auch nicht ganz unbeteiligt. Wer weiss, vielleicht wäre ohne sie ja auch (zuerst) einmal eine gute Töpferin aus mir geworden, die im Anschluss dann vielleicht doch Wirtschaft oder alternativ eben den Bachelor-Studiengang Keramik gewählt hätte?