Abschied von falschen Idealen

15 Lehrerinnen und Lehrer holten sich Anfang April in einer Weiterbildungsveranstaltung der PH Zürich Inputs zum Thema «Sinnvolle und hilfreiche Ideale» – ein Aspekt, der viel zum beruflichen Wohlbefinden beiträgt. «Akzente» war am Anlass mit dabei.

Es ist Dienstagabend, kurz vor 18 Uhr. Berater Jürg Frick begrüsst die zwölf Frauen und drei Männer. Sie sind heute an die PH Zürich gekommen, um mehr über den Umgang mit Idealen zu erfahren. Die Veranstaltung ist Teil der Themenreihe «Gesund bleiben im Beruf», sie bildet den Abschluss der insgesamt neunteiligen Reihe. Mit seiner rhetorischen ersten Frage «Warum sind Sie Lehrerin geworden und nicht Banker oder Spargelstecherin?» ist Frick bereits mitten im Thema. Denn sowohl die Berufswahl als auch die Gesundheit hätten viel mit Idealen zu tun, erklärt er.
In der ersten Aufgabe werden die Teilnehmenden aufgefordert, sich in Dreiergruppen darüber Gedanken zu machen, was aus ihrer Sicht eine gute Lehrperson ist und welche Eigenschaften sie auszeichnet. Die Diskussion ergibt eine ganze Liste von Erkenntnissen: Genannt werden Faktoren wie Empathie, Geduld, Humor, Authentizität, Gelassenheit oder  Transparenz. Auch der Beziehungsaspekt, die fachliche Kompetenz oder die Freude am Unterrichten finden häufige Erwähnung. Den Lehrerinnen und Lehrern wird bewusst: Diese Vielzahl an Anforderungen kann im Schulzimmer niemand permanent erfüllen.

Lachen über eigene Missgeschicke
Solche übersteigerten Ideale und Ansprüche erkennen und überprüfen zu können, ist eines der Kursziele. Weiter sollen die Teilnehmenden Schritte zur Entwicklung von angemessenen Idealen kennen lernen und sich mit Berufskolleginnen und -kollegen über ihre Erfahrungen austauschen. Die Männer halten sich dabei eher zurück, zur Hauptsache ergreifen die Frauen das Wort. Jürg Frick stellt immer wieder Fragen oder streut auch einmal eine Anekdote ein, die von seiner eigenen Unzulänglichkeit im Beruf erzählt. In einer anderen Aufgabe möchte er von den Teilnehmenden erfahren, wie ihre Ideale entstanden sind und wie sich diese über die Zeit verändert haben. Eine Lehrerin erklärt, dass sie sich stark an den in der Ausbildung vermittelten Inhalten orientiere. Eine andere erzählt, durch die Sozialisation im Beruf hätten sich ihre Ideale immer wieder verändert. Auch Jürg Frick, einst selbst Lehrer, nennt ein Beispiel. «Für mich war der Lehrberuf auch ein Feld, um die Gesellschaft zu verändern.» Er erklärt, wie beispielsweise mit einer Überprüfung der Verhaltensmuster individuelle Gewohnheiten angepasst werden können. Auch regt er an, sich gesundheitsfördernde Ziele zu setzen, die konkret und alltagsnah formuliert sind oder das Positive im Fokus haben.
Statt der vielbeschworenen «best practice» plädiert er für eine «good practice». Und für Humor. Worüber kann man heute lachen, was einst ein Misserfolg war? Frick macht den Anfang und erzählt eine für ihn damals als jungen Psychologen peinliche Geschichte. Nach einem Moment des Zögerns trauen sich zwei Frauen, es ihm gleichzutun. Die eine erzählt von einem Ausflug in den Wald mit Kindergärtlern, von denen einige am Schluss verschwunden waren und polizeilich gesucht werden mussten. Die Ausreisser wurden zum Glück gefunden. Die andere berichtet von einem Elternabend. Beamer und Kabel machten Probleme, sie musste sich mehrmals bücken, wobei das Licht des Beamers ihren Ausschnitt ausleuchtete. Seither überlegt sie sich genau, was sie an Elternabenden trägt.

Handlungsmuster prophylaktisch überprüfen
Inzwischen nähert sich die Veranstaltung dem Ende. Jürg Frick möchte wissen, was die Teilnehmenden inhaltlich mit nach Hause nehmen. «Ich habe herausgefunden, wo ich ansetzen kann, um entspannter zu sein», so ein Votum. Eine andere Lehrerin will mit den Anleitungen nachforschen, woher ihre Idealvorstellung kommt, bis zum Alter von 60 Jahren als Lehrerin tätig sein zu müssen.
Eine der Teilnehmenden ist Unterstufenlehrerin. Die 40-Jährige arbeitet seit 17 Jahren im Beruf, vor fünf Jahren erlitt sie ein Burnout. Die Kurse hat sie zum Anlass genommen, ihre Handlungsmuster zu überprüfen, um nicht wieder in schädliche Gewohnheiten zu verfallen. Wie sie haben etliche Lehrpersonen mehrere Kurse der Reihe belegt. Jürg Frick zieht Bilanz: «Die Teilnehmenden waren motiviert und brachten sich mit grosser Offenheit und viel Engagement ein.» Damit das Gehörte nicht in Vergessenheit gerät, empfiehlt er, sich einigen der Themen anzunehmen und sich im Austausch mit Berufskolleginnen und -kollegen damit zu beschäftigen oder erworbene Inhalte im Schulteam weiterzuvermitteln.

Die Themenreihe wird ab Herbst 2016 erneut durchgeführt.