Sich für einen Beruf entscheiden zu müssen, kann für Schülerinnen und Schüler eine Belastung darstellen. Wie Jugendliche auf lustvolle Art und Weise die Möglichkeiten der Berufswelt kennenlernen können, zeigt ein kürzlich abgeschlossenes Forschungsprojekt der PH Zürich.
«Visualisierte Berufswünsche: Potenziale der Fotografie für Berufsberatung und Berufswahlunterricht» (VIBES) – unter diesem Titel führte die PH Zürich in den vergangenen drei Jahren ein Forschungsprojekt finanziert vom Schweizerischen Nationalfonds durch, bei dem es darum ging, die Potenziale des Fotografierens für die Berufsorientierung zu nutzen und aus den Erkenntnissen ein tragfähiges Unterrichtskonzept zu entwickeln. Als Praxispartner agierte das Laufbahnzentrum Zürich.
In einem ersten Schritt produzierten die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler eine Fotoserie über ihre Berufswünsche. Anschliessend stellten sie diese der ganzen Klasse vor. Das Konzept wurde sowohl von Schülerinnen und Schülern als auch von Lehrpersonen geschätzt: Zum einen wird der Berufswahlprozess auf spielerische Art und Weise angestossen, zum anderen ermöglicht es sowohl zahlreiche persönliche Erkenntnisse über die Berufswelt als auch viel Anschlusskommunikation und neue Einblicke für Lehrpersonen, Mitschülerinnen und Mitschüler sowie für die Eltern. «Ich kann mir keine Methode vorstellen, mit der man besser in so einen Prozess einsteigen kann», so die Aussage einer Lehrperson. Und eine Schülerin meinte: «Man kann ein bisschen spielerisch sein mit den Bildern – selber halt was über sich erzählen.»
Im Projekt wählten die Schülerinnen und Schüler verschiedene Formen des fotografischen Ausdrucks: Sie inszenierten sich beispielsweise als Berufsperson, dokumentierten Menschen in echten Berufskontexten oder verwendeten Berufsbilder aus dem Internet. Je nach Darstellungsform kann so eine spezifische Art der Auseinandersetzung mit dem Beruf stattfinden. Zudem bietet jede Form je eigene Chancen zum Lernen, wobei diese von der Lehrperson mitgesteuert werden können. Aufgrund der ausgewerteten Daten kann zusammenfassend gesagt werden: Je höher der eigene Anteil am Bild, desto höher der Lerngewinn. Es zeigte sich, dass die Schülerinnen und Schüler auch freizeitorientierte Fotopraktiken etwa aus der Selfie-Kultur im Fotografieren der Berufe anwendeten. Dabei können Freizeit- und Schulkontext voneinander profitieren: Die Motivation aus der Freizeit kann für das schulische Lernen genutzt werden, die Reflexivität der schulischen Praxis wiederum kann sich positiv auf das Freizeithandeln auswirken. Dies, indem zum Beispiel adäquates Medienverhalten auf Social-Media-Plattformen oder der Umgang mit urheberrechtlichen Fragen thematisiert werden.
Polizeiauto macht scheinbar Faszination aus
Insgesamt beteiligten sich über 200 Schülerinnen und Schüler an dem Projekt. Die von ihnen produzierten Berufsbilder erlauben einen Einblick in die Vorstellungen, die die Jugendlichen von den ihnen mehr oder weniger vertrauten Berufen haben. So scheint beim häufig genannten Beruf des Polizisten oder der Polizistin das Polizeiauto einen grossen Teil der Faszination am Beruf auszumachen. Handkehrum lassen sich aufgrund der Darstellungen des Bank-Berufs nur sehr vage Vorstellungen ablesen. Die in solchen im Bild festgemachten inneren Bilder von Berufen können Lehrpersonen oder Berufsberaterinnen und Berufsberatern helfen, ihre Beratungsfunktion noch gezielter wahrzunehmen.
Für die Verantwortlichen des Projekts steht nach dessen Abschluss die Erkenntnis im Zentrum, dass eine Öffnung der Schule für visuelle Kompetenzen insbesondere auch deshalb von Bedeutung ist, da die Visualität einen wichtigen Zugang zur Sprachkompetenzentwicklung darstellt. Vielen eher schulschwächeren Schülerinnen und Schülern fiel es leichter, über ihre Berufswünsche zu sprechen, wenn sie sich auf visuelles Bildmaterial beziehen konnten. Die Ergebnisse des Projektes fliessen einerseits in eine wissenschaftliche Abschlusspublikation ein und andererseits in ein Praxisheft mit einem Unterrichtskonzept, welches interessierten Schulen zugänglich gemacht wird.