Ohne von Twitter eine grosse Ahnung zu haben, diskutierte ich während der Sommerferien spontan in einem Gruppenchat zum Thema «Lebenslanges Lernen» mit.Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nur einige wenige Tweets selber abgesetzt und lediglich eine Lesestrategie verfolgt. Eine Bekannte (@Raicheaileen) machte mich nun auf die Funktion der Gruppenchats aufmerksam. Dabei tauschen sich Interessierte zu einer vereinbarten Zeit moderiert von einem Verantwortlichen zu bestimmten Inhalten aus. Als Weiterbildnerin wieder einmal eine neue Selbsterfahrung zu machen, konnte nicht schaden, dachte ich mir – und dann noch zu diesem Thema. Diese Steilvorlage musste ich einfach nutzen.
Mir ist bewusst: Sich im Jahr 2015 in den Bereich der sozialen Medien vorzuwagen, ist kein besonÂders revolutionäres oder gar tollkühnes Unterfangen. Aber lieber spät als nie, dachte ich mir, und so bekam ich zu spüren, was lebenslanges Lernen bedeuten konnte ‒ und ich hatte tatsächlich einiges zu lernen: Wo befinden sich die Sonderzeichen auf dem iPhone? Wie wechselt man von der direkten Kommunikation zu einer allgemeinen Meldung (und wieder zurück), ohne den Gesprächsfaden zu verlieren? Auch der formale Aufbau stellte mich anfangs vor Rätsel. Woher sollte ich wissen, dass die Moderierenden ihre Chat-Fragen jeweils mit «F» einleiten und wir anderen unsere Antworten mit einem «A» beginnen sollten? Und erst all die Abkürzungen! Diese jeweils zu googeln, um Erklärungen zu finden, lag zeitlich schlicht nicht drin, wollte ich dem Verlauf des Chats weiter folgen. Was tun? Es ging ja um das lebensÂlange Lernen, da würde mir wohl niemand verübeln, wenn ich die Frage in die Runde werfen würde. So war es dann auch. Innerhalb von Sekunden trafen Antworten ein in unterschiedlichem Differenzierungsgrad mit Querverweisen ins Web und Links zu ausführlicherer Literatur – grossartig. Und dies alles, während im Sekundentakt neue Nachrichten zum Thema erschienen.
Im Verlauf der Diskussion wurde mir jedoch plötzlich wieder bewusst, dass der Chat öffentlich und damit für alle User sichtbar war. Was, wenn ich mir mit einem meiner Posts eine komplette Blösse geben würde? Zum Beispiel weil ich eine Regel missachtete oder inhaltlich völlig daneben lag? Glücklicherweise kam es nicht so weit. Meine Nachrichten wurden grösstenteils «gefaved» (auch das ein Novum), so schlimm konnte es also nicht sein. Während ich lernend mit diesen Herausforderungen kämpfte, wurde im Chat munter über das lebenslange Lernen getwittert, Literatur zitiert (Goethe! Shakespeare!) und um konkrete Aussagen gerungen. Nach einer Stunde war der Twittersturm vorbei.
Auch wenn ich ehrlich gesagt zwischendurch ans Aufhören dachte und sich mir nicht alles auf den ersten Blick erschloss: Das Experiment war auf jeden Fall einen Versuch wert, und mein Repertoire an Möglichkeiten, mich virtuell auszutauschen, wurde um eine erfrischend neue Komponente erweitert. Kurz: eine anregende Stunde auf mehreren Ebenen, deren Nachhaltigkeit sich aber erst noch erweisen muss. Auf jeden Fall habe ich meine Zeit schon gelangweilter verbracht (#Sommerflaute).
Lebenslanges Lernen (#Sommerflaute)
Barbara Kohlstock ist Abteilungsleiterin «Weiterbildung und Beratung» a. i. an der PH Zürich.