Seit rund zehn Jahren engagiert sich das Zentrum für Internationale Bildungsprojekte (IPE) der PH Zürich in verschiedenen Ländern mit Projekten in Bereichen wie der Berufswahlorientierung oder der Demokratiebildung. Co-Leiter Rolf Gollob äussert sich im Interview darüber, worauf es bei einem Engagement in Staaten wie der Ukraine oder Rumänien ankommt.

Rolf Gollob, Co-Leiter Zentrum International Projects in Education (IPE) der PH Zürich. Foto: Reto Klink.
Akzente: Rolf Gollob, wie gelangen Sie mit dem Zentrum IPE an Ihre Aufträge?
Rolf Gollob: Das ist sehr unterschiedlich. Meistens werden wir direkt kontaktiert – beispielsweise von einer Bildungsorganisation eines Landes –, oder das Bildungsministerium eines Landes ist an die offizielle Schweiz gelangt, und diese tritt dann in Kontakt mit uns. Dies ist meistens die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA).
Arbeiten Sie immer mit offiziellen Vertretungen eines Landes zusammen?
Ja, wir sind eine staatliche Organisation und als solche angehalten, mit der Bildungsbehörde in den entsprechenden Ländern zu kooperieren. Gelangt beispielsweise eine Nichtregierungsorganisation eines Landes mit einer Anfrage an uns, schicken wir sie immer zuerst zu ihren eigenen Behörden zur Absicherung und zur möglichen Einholung von finanziellen Mitteln.
Erschwert Ihnen dies die Arbeit?
Das macht die Arbeit manchmal komplizierter, ja. Eines unserer Grundprinzipe ist jedoch die Nachhaltigkeit. Diese können wir nur erreichen, wenn die offiziellen Vertretungen der Länder hinter den Projekten stehen oder sie sogar verantworten.
Wie stellen Sie sicher, dass Sie stets unabhängig arbeiten können?
Das ist eine wichtige Frage. Unsere Projekte sind immer mit Innovationen und Veränderungen verbunden. Diese stossen nicht immer bei allen Akteuren eines Systems auf Gegenliebe. Innovationen sind gleichbedeutend mit einer Anpassung von Inhalten, Strukturen und Prozessen. Dies führt zu Macht- und Einflussverschiebungen. Wird beispielsweise im Rahmen eines unserer Projekte in einem Staat eine neue Didaktik eingeführt, wird die Arbeit von Forschenden an den dortigen Universitäten möglicherweise entwertet, steht doch unsere Entwicklung in Konkurrenz steht zu ihren Ideen und Ansätzen. Solche Widerstände sind Teil des Prozesses. Unsere Vorschläge werden selten telquel übernommen, sondern im Verlaufe des Projekts so angepasst, dass sie ins System passen. Der Innovationsgehalt darf jedoch nicht verloren gehen. Schlüsselkomponenten müssen eingehalten werden, sonst erfüllen wir unseren Auftrag nicht.
Wie unterscheiden sich die politischen Systeme in den Ländern, in denen Sie sich engagieren?
Die Machtverteilung in den einzelnen Ländern ist sehr unterschiedlich. Die Ukraine oder Rumänien sind Staaten mit starken administrativen Systemen. Das Beamtenwesen hat dort viel Macht. Starke Beamtenapparate können die Fortschritte behindern, auf der anderen Seite sind sie aber verlässlich.
Wie gestaltet sich die Arbeit in Ländern mit schwachen Administrationen?
Dies betrifft unser Engagement in jungen Staaten wie Kosovo oder Bosnien. Bosnien beispielsweise ist sehr dezentral organisiert und hat zwölf kaum koordinierte Bildungsministerien. Dort eine Neuerung umzusetzen, ist sehr schwierig.
Wie wichtig ist die Stabilität eines Landes?
Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg unserer Projekte ist, dass wir die Strukturen der Staaten gut kennen. Dabei kommt uns unsere langjährige Erfahrung zugut. Wir wissen inzwischen, auf welcher Verwaltungsebene der jeweiligen Ländern wir unsere Projekte ansiedeln müssen, damit eine Implementierung eher möglich wird. Wir wissen oft auch, bis zu welcher Ebene bei einem Regierungswechsel die Personen im Verwaltungsapparat eines Landes ersetzt werden. Entsprechend suchen wir Projektpartner auf einer höheren Ebene. Unsere Hauptpartnerin in Rumänien hat diverse Ministerien überlebt. Unsere Aufgabe ist es auch, dafür zu sorgen, dass die Themen bei diesen Leuten nicht auf dem Pult liegen bleiben. In Rumänien konnten wir beispielsweise im Rahmen unseres Projekts JOBS eine neue Infrastruktur in Form eines Fachzentrums für Berufsorientierung innerhalb des Bildungsministeriums bilden. Dort wird jetzt eine Fachstelle eingerichtet, welche die Umsetzungsarbeit über viele Jahre hinweg leisten soll.
Die Ukraine sah sich in den vergangenen Monaten und Jahren mit grossen Unruhen und Umwälzungen konfrontiert. Wie hat sich Ihr Engagement in dieser Zeit entwickelt?
Wir arbeiten seit sechs Jahren in der Ukraine zum Thema Demokratiebildung. Dabei geht es unter anderem darum, Lehrpersonen, Schulleitenden und Beamten die Grundlagen der praxisorientierten Demokratiebildung zu vermitteln. Wir arbeiten auch da mit einer staatlichen Organisation zusammen. Dies hat sich bewährt. Die vielen Regierungswechsel in den letzten Jahren haben unser Projekt nicht behindert. Dies liegt daran, dass unsere Partner in dieser Organisation die gleichen geblieben sind und die DEZA uns vor Ort unterstützt.
Wie wichtig ist dem ukrainischen Staat das Thema Bildung und im speziellen der Aspekt der Demokratiebildung?
Die Investitionen in die Bildung sind in vielen Ländern immer gefährdet. Die Bildungsministerien sind häufig schwache Ministerium im Vergleich zum Finanz- oder Wirtschaftsministerium. Es bleibt bei der Bildung oft beim Lippenbekenntnis. Die Machthaber in der Ukraine erkennen jedoch, dass nur eine politisch und wirtschaftlich offene Gesellschaft Erfolg haben kann. Dies bedingt ein partizipatives Regierungsmodell. Und Partizipation ist gleichbedeutend mit Demokratie. Eine der Grundlagen von Demokratie ist, dass das Volk seine (regionalen) Angelegenheiten selbständig regelt und damit Verantwortung übernehmen darf und muss. Dies bedeutet auch, dass das Budget dezentral verwaltet wird und ein Teil der finanziellen Mittel in die Regionen fliesst. Diese Entwicklungen finden in der Ukraine durchaus statt und wir beobachten dies im Rahmen unserer Projektarbeit auch.
Können Sie dazu ein Beispiel nennen?
Ein Teil unseres Projekts beinhaltet die Ausbildung von Beamten zur Frage von demokratischer Staatsführung und einem dienstleistungsorientierten Berufsverständnis. Diese findet dezentral in allen 24 ukrainischen Regionen statt. Bei der Ausbildung von Schulleitern und Lehrpersonen arbeiten wir mit zwei Regionen zusammen, Odessa und Bila Tserkva. Die einzelnen regionalen Institutionen geniessen dabei sehr viel Autonomie. Die Zusammenarbeit mit der Krim, mussten wir aufgrund deren Annexion durch Russland allerdings beenden.
Odessa befindet sich geografisch in der Nähe der Krim.
Bestehen dabei keine Sicherheitsbedenken?
Nein, denn für unsere Projekte bestehen sehr strenge Sicherheitsauflagen. In Krisenregionen wie im Osten der Ukraine dürfen wir gar nicht tätig sein. Ich möchte jedoch eines zu bedenken geben: Wir arbeiten in Ländern wie der Ukraine, gerade auch weil sich diese Staaten in einer politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Übergangsphase befinden. Wären sie dies nicht, würde es keine pädagogische Entwicklungszusammenarbeit brauchen.