Albisriederplatz: Ich steige ins Tram und schnappe mir eine Zeitung. Wieder sind Flüchtlinge ein Thema. Bald blättere ich weiter zum Klatsch und Tratsch. Sihlpost: Schon muss ich aussteigen. Ein schlechtes Gewissen plagt mich. Gehöre ich auch zu den Leuten, die Banalitäten höher gewichten als humanitäre Tragödien? Liess mich die Frontseite mit den verschütteten Menschen aus dem Erdbeben eben gerade kalt?
Eine Überlebensstrategie ist es wohl, unlösbar erscheinende Probleme zu verdrängen. Ich erkläre es mir so: Menschen suchen nach Antworten. Krieg, Terror oder Naturkatastrophen passieren. Niemand weiss, warum und wann es wen trifft. Die Frontseite liess mich eben doch nicht kalt. Beim Lesen fühlte ich mich machtlos und traurig. Ich schätze es, dass wir verschont blieben und bin überzeugt: Blendet man das Weltgeschehen ganz aus, wird der eigene Horizont immer kleiner. Man beginnt sich über kleine Dinge zu ärgern. Die Gefahr, darin zu versinken, steigt.
Es ist ein unglaubliches Privileg, in der Schweiz geboren worden zu sein, wo wir seit langem von Krieg und Terror verschont geblieben sind. Für dieses ungemeine Glück haben wir nichts geleistet. Durch Zufall sind wir hier geboren. Sollen wir uns sozial engagieren, nachhaltig leben, spenden oder in Gedanken bei Ärmeren sein? Was wir aus diesem Privileg machen, muss jeder selbst verantworten.
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