«Die deutsche Sprache hatte einen hohen Stellenwert»

Die Primarstufen-Studentin Linda Bosshart hat ihr Fremdsprachenpraktikum in der Westschweiz absolviert. Zurück- gekehrt aus Vevey ist sie mit einigen überraschenden Erkenntnissen – insbesondere, was die Bedeutung der deutschen Sprache im Unterricht betrifft.

Gemeinsam mit einer Kollegin von der PH Zürich machte sich Linda Bosshart im vergangenen Sommer auf den Weg Richtung Vevey, wo sie während dreier Wochen in einer 5. Klasse ihr Praktikum absolvieren würde. Die Vorfreude bei der Primarschulstudentin war gross. «Ich freute mich sehr auf den Unterricht und den Kontakt mit den Welschen», sagt sie. Obwohl sie ihre Französischkenntnisse als gut einschätzte – sie hatte damals bereits das DALF C1 (Diplôme Approfondi en Langue Française) gemacht –, war sie sehr gespannt darauf, ob ihre Kenntnisse zum Unterrichten in einer französischsprachigen Klasse ausreichen würden. «Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass sich bereits das vorgängige Telefongespräch mit der Lehrerin als echte Herausforderung darstellte», sagt sie. Damit ihnen noch etwas Zeit blieb zur Eingewöhnung, reisten Linda Bosshart und ihre Mitstudentin bereits einige Tage vor Unterrichtsbeginn an. Wohnen konnten die beiden während ihres gesamten Aufenthaltes bei einem befreundeten Ehepaar in Chardonne, cirka fünf Kilometer von Vevey entfernt. «Wir hatten Glück, dass wir bereits jemanden kannten. So ist uns die aufwändige Suche und eine möglicherweise kostspielige Unterbringung erspart geblieben. Die Wohnung war eine Art Loft und sehr speziell. Wir konnten eine ganze Etage für uns alleine nutzen.»

Mathematikunterricht auf Französisch
Am ersten Schultag war die Nervosität bei Linda Bosshart gross. Nach dem ersten Kontakt mit der Lehrerin sei diese dann aber rasch verflogen: «Die Stimmung war sehr relaxed und ich habe mich schnell wohlgefühlt.» Im Klassenzimmer angekommen, fiel ihr als Erstes die hohe Präsenz der deutschen Sprache auf. «Viele Gegenstände wie beispielsweise der Computer oder das Fenster waren auf Deutsch angeschrieben. Das hat mich doch sehr überrascht.» Die Lehrerin habe grosses Gewicht gelegt auf den Deutschunterricht. Dass sie nun in den kommenden Wochen Unterstützung erhielt von jemanden mit Muttersprache Deutsch, habe sie sehr gefreut. «Ich bekam den Eindruck, der Deutsch-Unterricht habe einen höheren Stellenwert als bei uns der Französisch-Unterricht.»
Neben Deutsch unterrichtete Linda Bosshart Mathematik sowie Mensch und Umwelt. Mathematik auf Französisch zu erklären, sei nicht so einfach gewesen. Doch mit der Zeit habe es immer besser geklappt. An die Schulkultur musste sich die Studentin zuerst gewöhnen. «Der Unterricht beispielsweise verlief häufig nicht nach Stundenplan, und er wirkte auf mich teilweise etwas unstrukturiert.» Auch sei der Frontalunterricht stark im Zentrum gestanden. Gruppenarbeiten oder Ähnliches seien nur selten gemacht worden. «Dies entspricht nicht unbedingt meinem Stil. Ich lasse die Schülerinnen und Schüler sehr gerne in Kleingruppen arbeiten.»

Knoten löste sich auf Zugfahrt
Mit anderen Lehrpersonen hatte Linda Bosshart nur wenig Kontakt. Sie führt dies in erster Linie auf die Sprachbarriere zurück. «Ich hatte mich nicht richtig getraut, auf andere Lehrerinnen und Lehrer zuzugehen. Ihnen ging es wohl gleich wie mir.» Dies sei sehr ungewohnt gewesen, da sie sich in den Praktika in der Deutschschweiz immer rege mit dem Lehrpersonenteam ausgetauscht habe. Zu den Kindern habe sie ab jenem Zeitpunkt einen Draht gefunden, als sie die Klasse einmal auf einem Ausflug begleitete. «Auf der Zugfahrt löste sich der Knoten. Da bekamen wir Gelegenheit, uns ausserhalb des Unterrichts kennen zu lernen», erinnert sie sich.
In der Freizeit hat Linda Bosshart mit ihrer Kollegin hin und wieder kleinere Unternehmungen gemacht – zum Beispiel nach Lausanne zum Essen. Da ihre Wohnung jedoch ziemlich abseits lag, ist sie am Abend oft zuhause geblieben. Ihre Vermieter haben meistens für sie gekocht, und so sind sie häufig zusammengesessen und haben miteinander geredet. «Sie waren beide auch Lehrpersonen und haben sich sehr für uns interessiert. Von den Gesprächen, die wir führten, habe ich sprachlich viel profitiert.» Rückblickend beurteilt die Studentin die drei Wochen Praktikum als eine gute Erfahrung. In besonderer Erinnerung hält sie den Abschied von den Schülerinnen und Schülern: «Die Kinder wollten mich gar nicht mehr gehen lassen, und sie waren richtig traurig.» Auch was den Unterricht betrifft, hat sie einiges mit nach Hause genommen. «Es war interessant zu erleben, wie Schule auf der anderen Seite des Röstigrabens funktioniert.»

Stage professionnel / Assistant Teachership
Alle Studierenden der Primarstufe und Studierende der Sekundarstufe I mit einer Fremdsprache im Fächerprofil absolvieren im Rahmen ihres Studiums ein Fremdsprachenpraktikum im englischen bzw. französischen Sprachraum (Assistant Teachership bzw. Stage professionnel). Das Praktikum dauert drei (Primarstufe) bzw. vier (Sekundarstufe) Wochen und hat u. a. zum Ziel, die Sprachkompetenz der Studierenden zu verbessern. Im Rahmen der Serie «Mein Fremdsprachenpraktikum» stellen wir an dieser Stelle vier Studierende vor, die ihr Fremdsprachenpraktikum kürzlich absolviert haben.