Wie Lehrpersonen den Berufseinstieg erlernen

Der Einstieg in den Lehrberuf stellt Herausforderungen, die im vollen Umfang erst in der selber zu verantwortenden Berufstätigkeit erlebt werden können. Neue Forschungsergebnisse geben interessante Erkenntnisse dazu. Der Berufseinstieg stellt eine wichtige Phase im Berufsleben von Lehrpersonen dar. Die Vorfreude, endlich selber entscheiden zu dürfen, ist gross – der Respekt vor den Anforderungen aber auch, wie folgende Aussage einer Berufseinsteigerin zeigt: «Ich habe mich sehr auf diese Stelle gefreut! Endlich darf ich tun, was ich richtig finde! – Doch nun muss ich selber wissen, was ich tun und auch vertreten will, und das ist nicht immer so einfach.»
Der Berufseinstieg stellt Anforderungen, die im ganzen Umfang im Voraus nicht erlebt werden können. Die Praktika, insbesondere das siebenwöchige Quartalspraktikum und das Lernvikariat geben sehr guten Einblick in die Berufsarbeit. Doch auch diese Praxissequenzen können die Komplexität und Vielfältigkeit der Berufsaufgaben nicht wirklich vorwegnehmen. Weiterlernen ist angesagt: «Ich habe in der Ausbildung ja sehr viel gelernt und sehr viel gearbeitet – doch so viel wie in den letzten drei Monaten habe ich mein ganzes Leben noch nie gelernt und gearbeitet! Ich wusste nicht, dass das möglich ist und erst noch Freude bereitet», so die Erfahrung einer Berufseinsteigerin. Wie erleben neu in den Beruf einsteigende Lehrpersonen die Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen? Dieser Frage widmet sich das aktuelle Forschungsprojekt «Kompetenzentwicklung und Beanspruchung im Berufseinstieg von Lehrpersonen», kurz KomBest. Dabei wird erkundet, wie sich die Beanspruchung und das Kompetenzerleben von Lehrpersonen im Übergang vom Studium in den Beruf und in den ersten Berufsjahren entwickelt. Dieser Übergang stellt neue Anforderungen. Eine Berufseinsteigerin meint dazu: «Ich habe etwa sechs Wochen gebraucht, um die Rolle wirklich zu wechseln. Es ist nicht mehr wie im Praktikum, in welchem die Lehrerin helfen würde, wenn etwas schief läuft. Ich habe die volle Verantwortung und muss – egal was war – am nächsten Tag selber weitermachen.»
Ergebnisse aus dem 2010 veröffentlichten Buch Entwicklungsaufgaben im Berufseinstieg von Lehrpersonen zeigen, dass sich erfahrene Lehrpersonen nicht weniger beansprucht erleben als Berufseinsteigende. Der Lehrberuf stellt laufend neue Herausforderungen, die nicht mit Routine bewältigt werden können.

Einstieg wird individuell verschieden erlebt
Erste Ergebnisse aus dem aktuellen Forschungsprojekt bestätigen die Befunde, dass es Berufseinsteigenden durchschnittlich gut gelingt, die Berufsanforderungen zu bewältigen. In die Rolle als Lehrerin einzutauchen, den Unterricht vorzubereiten, durchzuführen und zu evaluieren, die Klasse zu führen wie auch die Schülerinnen und Schüler in ihrem Lernen zu fördern, gelingt ihnen sogar besser und beansprucht sie weniger, als sie dies vor dem Berufseinstieg erwartet hatten. Sich im Kollegium einzufinden und zur Schulkultur beizutragen, beansprucht die neu in den Beruf einsteigenden Lehrpersonen stärker und gelingt ihnen weniger gut, als sie dies erwartet hatten.
Die Ergebnisse stellen Durchschnittswerte der Gesamtgruppe dar – sie dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Einschätzungen auf individueller Ebene breit streuen. Der Berufseinstieg wird individuell verschieden erlebt. Ein waches Auge und ein offenes Ohr von Kolleginnen, Kollegen und der Schulleitung am Schulort wie auch die vielfältigen kostenfreien Angebote der Berufseinführung stellen Ressourcen dar, um mit den vielfältigen Herausforderungen umzugehen – doch auch Berufseinsteigende sind gefordert, auf andere zuzugehen und Möglichkeiten zu nutzen, wie diese Aussage zeigt: «Es ist so wichtig, mit anderen zu reden, sich auszutauschen und zusammenzuarbeiten. Das hat mir Sicherheit gegeben und die Arbeit erleichtert.»

 

Manuela Keller-Schneider ist Professorin für Proessionsforschung und Lehrerbildung im Prorektorat Ausbildung der PH Zürich und u.a. Leiterin des Forschungsprojekts KomBest.
Elif Arslan ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt KomBest an der PH Zürich.
Das Projekt KomBest wird vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt.