Berufsbildung – Angebote auf Erwachsene ausrichten

In der Schweiz besitzen Hunderttausende keinen Abschluss auf der Sekundarstufe II. Mit einer Reihe von Angeboten nimmt sich die PH Zürich der Thematik «Berufsbildung für Erwachsene» an. Im Zentrum stehen eine Veranstaltungsreihe, externe Aufträge und ein Buchprojekt.

Die Gründe dafür, dass in der Schweiz so viele Menschen keinen Berufsabschluss besitzen, sind vielfältig. Zum einen beginnt eine beträchtliche Zahl junger Erwachsener die berufliche Grundbildung (Berufslehre) gar nicht erst, oder sie lösen ihren Lehrvertrag wieder auf (Lehrabbruch). Zum anderen arbeiten in der Schweiz viele Menschen aus dem Ausland, die nie einen formellen Berufsabschluss erworben haben.

Aktuell sucht die Politik nach Wegen, Erwachsenen den Zugang zu einem Berufsabschluss zu erleichtern. Ausschlaggebend dafür ist der Fachkräftemangel in vielen Branchen, das gegenwärtige Interesse am Thema ist jedoch auch sozialpolitisch wichtig, sind doch Erwachsene ohne Abschluss auf Sekundarstufe II deutlich stärker armutsgefährdet als der Bevölkerungsdurchschnitt.

Praxisbeispiele aus der ganzen Schweiz
Die Abteilung Sekundarstufe II/Berufsbildung der PH Zürich beschäftigt sich seit Anfang 2014 mit dieser Thematik. So wurde zusammen mit Emil Wettstein, dem Bildungspreisträger der PH Zürich 2013 und hervorragenden Kenner der Schweizer Berufsbildung, eine Veranstaltungsreihe lanciert, welche 2015 fortgesetzt wird. An den Veranstaltungen stehen jeweils konkrete Praxisbeispiele aus der ganzen Schweiz im Zentrum. Dabei geht es nicht immer nur um die Berufsbildung selbst, sondern auch um Angebote, welche die Erwachsenen auf die Berufsbildung vorbereiten: Oft ist es nämlich so, dass Grundkompetenzen in der Allgemeinbildung fehlen, entweder weil die Volksschule vor allzu langer Zeit oder weil die Schule im nicht-deutschsprachigen Raum besucht wurde und daher Deutschkenntnisse fehlen.

Ebenfalls in Zusammenarbeit mit Emil Wettstein entsteht zurzeit zudem ein Buch zum Thema «Berufsbildung für Erwachsene». Zu diesem Zweck werden zahlreiche qualitative Interviews mit Teilnehmenden entsprechender Angebote im Kanton Zürich durchgeführt. Dabei zeigt sich, wie schwer sich für Erwachsene insbesondere der Zugang zu Informationen über die verschiedenen Ausbildungen gestaltet. Ein grosses Hindernis ist auch die Finanzierung, denn für viele Erwachsene ist der Beginn einer beruflichen Grundbildung mit grossen finanziellen Einbussen verbunden.

Auch ausserhalb der Schweiz ein Thema
Die PH Zürich bearbeitet das Thema auch im Rahmen einiger Mandate, so etwa im Auftrag des Schweizerischen Baumeisterverbandes. Da im Baugewerbe sehr viele Angestellte aus dem Ausland stammen und niemals eine formale Berufsausbildung abgeschlossen haben, ist in der Branche das Interesse an der Thematik gross. Dies vor allem auch deshalb, weil weiterführende Ausbildungen (etwa zum Bauführer oder zum Baumeister) ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (Lehrabschluss) erfordern. An einem Workshop im Januar wurde so nach Lösungen gesucht, wie die bestehenden Angebote noch erwachsenengerechter ausgestaltet werden können, etwa durch die Einführung von Teilprüfungen oder durch die noch umfassendere Anerkennung bereits erworbener Kompetenzen. Tatsächlich handelt es sich bei den Interessentinnen und Interessenten häufig um Personen mit viel Berufserfahrung, so dass die berufliche Grundbildung stark verkürzt werden könnte.

Berufsbildung für Erwachsene ist jedoch auch ausserhalb der Schweiz ein wichtiges Thema, so etwa in Bosnien-Herzegowina, wo seit den Kriegen der 1990er-Jahre die Berufsbildung wenig Gewicht hat. Die Abteilung Sekundarstufe II/Berufsbildung evaluierte deshalb für die DEZA im Herbst 2014 ein Programm, das auf die Verbesserung des Zugangs junger, meist arbeitsloser Erwachsener in den Arbeitsmarkt abzielt, etwa durch die Schaffung von stärker arbeitsmarktorientierten Angeboten der Berufsbildung. Dabei lässt sich auch immer wieder von den aktuellen Erfahrungen in der Schweiz profitieren.

Markus Maurer ist Professor für Berufspädagogik in der Abteilung Sekundarstufe II/Berufsbildung an der PH Zürich.