Der kompetenzorientierte Unterricht stellt Lehrpersonen auch in den Naturwissenschaften vor neue Aufgaben. Im Rahmen eines Forschungsprojekts entwickelt die PH Zürich Instrumente zur Kompetenz-Beurteilung von Schülerinnen und Schülern im Bereich des Experimentierens.
Wie können wir Lehrpersonen und ihre Schülerinnen und Schüler noch gezielter beim Experimentieren im «Natur und Technik»-Unterricht (NT) unterstützen? Dieser Frage widmet sich ein Team der PH Zürich und versucht damit, den Diskurs über lerneffektiven naturwissenschaftlichen Unterricht voranzutreiben – sei es in der Aus- und Weiterbildung oder in der «scientific community». Spätestens seit der Veröffentlichung der nationalen Bildungsstandards ist bekannt, welche Handlungskompetenzen im NT-Unterricht gefördert werden sollen. Mit der Einführung des neuen Lehrplans werden diese Handlungen auch noch mit fachlichen Inhalten verknüpft sein.
Eine Vorgabe des kompetenzorientierten Unterrichts lautet, dass dieser noch gezielter an den individuellen Kompetenzstand der Lernenden anknüpfen soll. Dies ist für Lehrpersonen wohl eine der grössten Herausforderungen. Neue Unterrichtsmaterialien mit dazugehörenden Diagnose- und Planungsinstrumenten könnten ihnen dabei von Nutzen sein. Hier setzt das Projekt «Experimentelle Kompetenzen in den Naturwissenschaften» (ExKoNawi) der PH Zürich an. Es hat zum Ziel, für den Bereich des Experimentierens solche Instrumente zu entwickeln. In einem ersten Schritt wurden dafür die experimentellen Kompetenzen der Sekundarschülerinnen und -schüler im Kanton Zürich untersucht. Dies anhand von für den NT-Unterricht geeigneten Experimentiertests, welche konkrete Hinweise für die Entwicklung lerndiagnostischer wie auch -fördernder Instrumente geben können.
Da Naturwissenschaften in der obligatorischen Schule fächerübergreifend unterrichtet werden, stellen sich in dem Projekt zwei grundlegende Fragen: Welche Merkmale experimenteller Kompetenzen sind in allen drei Disziplinen (Biologie, Chemie und Physik) auszumachen? Können experimentelle Kompetenzen unabhängig vom fachlichen Kontext diagnostiziert und gefördert werden? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, wurde in einer ersten Phase das Experimentieren in vier unterschiedliche, in der Schule häufig vorkommende Bereiche unterteilt: «Beschreiben von Beobachtungen», «Messen von Grössen», «Untersuchen von Zusammenhängen» und «Vergleichen von Objekten». Als Messinstrument wurden 12 Experimentiertests entwickelt, welche mit insgesamt 565 Schülerinnen und Schülern durchgeführt wurden.
Kontextübergreifende experimentelle Kompetenzen
Die erste allgemeine Frage, ob sich fächerübergreifende Merkmale beim Experimentieren finden lassen, lässt sich nicht so einfach beantworten. Schülerinnen und Schüler scheinen zum Beispiel beim «Untersuchen von Zusammenhängen» ähnlich gut abzuschneiden, egal ob es sich um die Schwingungsdauer eines Pendels (Physik), die Auflösegeschwindigkeit von Brausetabletten im Wasser (Chemie) oder die Aufenthaltspräferenzen von Asseln (Biologie) handelt. Die Resultate bestätigen, dass es bei diesen Aufgaben weniger um das Wissen von fachlichen Inhalten geht, sondern um das Verständnis, wie eine wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt wird und welche Strategien dazu benutzt werden. Eine Konsequenz könnte also sein, dass der Aufbau einiger experimenteller Kompetenzen nicht unabhängig in einzelnen Themenbereichen, sondern als kontextübergreifende Kompetenzen im Sinne der «Natur der Naturwissenschaften» gefördert werden sollte. Ähnliche Hinweise finden sich auch in grösser angelegten Studien im Ausland. Auf der anderen Seite bleiben fächerspezifische Unterschiede beim Experimentieren bestehen: So lassen sich in der Biologie zum Beispiel wesentlich mehr für den Unterricht relevante Experimentiersituationen für reines Beobachten finden. Das Messen hingegen findet eher in chemischen oder physikalischen Kontexten statt. Erfreulich ist, dass die im Projekt entwickelten Experimenttests sehr gut bei den Schülerinnen und Schülern und ihren Lehrpersonen ankommen. Ein erstes Feedback war sehr positiv, wie diese Aussage einer Schülerin aus einer 1. Sekundarklasse B zeigt: «Ich fand es ganz cool. Es sind interessante, spannende Experimente. Es war natürlich schwierig, herauszufinden, welche Crème am fettigsten oder wässrigsten war. Aber es hat viel Spass gemacht.» Und ein Schüler einer 3. Sekundarklasse A meinte: «Ich fand dieses Experiment recht gut. Es ist etwas Neues, das Spass macht. Die chemische Reaktion hat mich überrascht.»
Einzigartiger Experimentiertest geplant
Erste Ergebnisse aus dem Projekt konnten bereits in die Aus- und Weiterbildung einfliessen und werden unter anderem von Studentinnen und Studenten der PH Zürich kritisch besprochen. Um allgemein gültige Aussagen über die experimentellen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu erhalten, soll im kommenden Jahr eine Hauptstudie durchgeführt werden. Für diese soll die Anzahl der Testaufgaben verdoppelt werden. Ein Experimentiertest in dieser Grössenordnung wäre einzigartig und würde eine noch umfassendere Kompetenzbeurteilung im Bereich des Experimentierens ermöglichen.